Paywall um UtopiaFilmkritik: Steven Spielbergs „Ready Player One“

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Fotos: Courtesy Of Warner Bros. Pictures

„Ready Player One“ erzählt von der Rettung der Zukunft durch die Popkultur der Vergangenheit. Steven Spielbergs Roman-Adaption schickt die Avatare seiner jugendlichen Protagonist_innen durch ein imposantes VR-Game, in dem die 80er niemals zu Ende gegangen sind.

2045: Die Zukunft sieht wieder mal düster aus. Die Trailerparks von heute sind zu ganzen Städten konglomeriert. Den Menschen, die in diesen vertikal wachsenden Containersiedlungen leben müssen, bleibt als Zuflucht immerhin die virtuelle Sphäre. In Ready Player One heißt ihr Sehnsuchtsort „Oasis“ und ist eine Multiplayer-Area, eine Art gamifiziertes „Second Life“. Wer seine VR-Gerätschaften (Basisausstattung: Brille, Laufband, sensorischer Schutzanzug) aktiviert, bewegt sich in ihr als Avatar, der mit der eigenen Identität so gar nichts gemein haben muss. Weshalb die Oasis nicht nur ein Online-Spielfeld, sondern vor allem ein utopischer Ort ist. Hier kann man sein und tun, wovon sich in der Trailerpark-Stadt nur träumen lässt. Und deswegen muss in Steven Spielbergs neuem Film mal nicht die reale Welt gerettet werden, sondern die virtuelle.

Die Neutralität der Oasis wird nämlich von den wirtschaftlichen Interessen ganz irdischer Unternehmen bedroht, die den virtuellen Raum gerne nach ihren Vorstellungen umgestalten und eine Paywall um dieses Utopia errichten wollen. Gelegenheit dazu bietet sich ihnen, als der Architekt der Oasis abtritt und der Nachwelt ein Easter Egg hinterlässt, ein im virtuellen Kosmos verstecktes Bonusspiel. Wer es knackt, dem winkt die Erbschaft der Administratoren-Rolle und damit die Kontrolle über die gesamte Oasis. Dieser Plot erlaubt es dem Film, seine Geschichte – eigentlich ist es freilich die des hier adaptierten Buches von Ernest Cline – wie ein Game zu gestalten: Die Handlung verläuft über das Erfüllen von Missionen und das Finden versteckter Schlüssel.

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Totales Überwältigungskino

Schon 1975, während der Dreharbeiten zu Jaws – also als er gerade das Format des modernen Blockbusters erfand – spielte Spielberg nach eigener Aussage in jeder freien Minute Pong. Sein neuer Film ist allerdings mehr als nur eine Hommage an die Gamekultur. In Ready Player One wurde vielmehr ein ganzes popkulturelles Universum gekippt. Das äußert sich vermittels permanenter Zitation von Filmfiguren, Popmusik und eben Games. Die stammen vorzugsweise (aber nicht ausschließlich) aus den 80er-Jahren und machen den Film zu einer Art blockbusterisierten Pastiche. Wer gerne Referenzenbingo spielt, nimmt besser ein ganzes Notizheft mit ins Kino.

Retro-Referenzen, montiert in maximalistisch choreografiertes, zeitgemäßes Bewegtbildvokabular.

Um dieses überbordende Verweissystem (neutral für: langfristig etwas ermüdender Fun für große Jungs) abbilden zu können, bedient sich Spielberg in den VR-Szenen (und damit im Großteil des Films) waghalsiger Kamerafahrten, die so manchen Marvel-Film wortwörtlich alt aussehen lassen. Und Totalen, die sich an den Schlachtengemälden aus Spielen wie „World of Warcraft“ orientieren, die für die ganz große Leinwand aber nochmal ordentlich aufgepumpt wurden. Visuell ist Ready Player One totales Überwältigungskino. Spielberg montiert seine Retro-Referenzen in ein maximalistisch choreografiertes, sehr zeitgemäßes Bewegtbildvokabular. Ex negativo wird dieses besonders in Spielbergs Verbeugung vor seinem Freund Stanley Kubrick augenfällig: Für ein paar denkwürdige Minuten schickt er seine Figuren in die virtuelle Variante des Overlook-Hotels aus Kubricks The Shining. In dieser gleichermaßen huldvollen wie ikonoklastischen Sequenz schieben sich Kubricks zentralperspektivisch organisierte Aufnahmen zwischen die animierten Wimmelbilder von Ready Player One: Der Kontrast könnte größer kaum sein.

Wer die Oasis retten will, muss also The Shining kennen. Und die Lieder von Duran Duran. Und das Videospiel „Adventure“. Gierige Unternehmer kennen das natürlich alles nicht, deshalb – Spoiler – verlieren sie ja am Ende auch. Gewinnen werden ein paar Kids, deren real life eher steinig verläuft. Einer davon ist der 19-jährige Halbwaise Wade Watts. Sein recht programmatischer Avatarname ist Parzival. Bevor er den Gral respektive das Osterei findet, darf er seine erste Lovestory erleben. Hier ist Spielberg ganz bei sich: Der klassische, etwas altbackene Erzähler, dessen stets humanistischer Blick sich erneut auf eine posthumane Welt richtet. Schon wegen dieser Setzungen hat Ready Player One nur wenig Interessantes über die Virtualität als einen bereits verwirklichten Möglichkeitsraum zu erzählen. Zwar macht er sich Strategien von Filmen wie The Matrix, Inception oder Luc Bessons großartigem Valerian zu eigen, doch Spielberg interessieren in erster Linie immer die Menschen und deren Möglichkeit, ihren idealistischen Weltzugang zu erhalten. Sein Herz gehört den wenig Privilegierten, denen, die hadern mit der Welt, mit Identität oder Geschlecht.

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Man kann „Ready Player One“ auch als den Rückblick eines Regisseurs auf eine Ära empfinden, die er selbst entscheidend geprägt hat.

Die Rettung der Zukunft durch die Popkultur der Vergangenheit: Auf diese Formel könnte man diesen Film vielleicht bringen. Und von dort den Vorwurf erheben, dass sich hier jemand in ein Bett legt, das der Erfolg von Wohlfühl-Nostalgie-Stücken wie Stranger Things oder It gerade erst frisch bezogen hatten. Nur hätte es diese Filme und Serien ohne Steven Spielberg wohl nie gegeben. Das hier beschworene Popcorn-Universum von einst ist natürlich auch ein Spielberg-Universum. Daher kann man Ready Player One auch als den Rückblick eines Regisseurs auf eine Ära empfinden, die er selbst entscheidend geprägt hat. In dieser Hinsicht trägt der Film Züge eines Alterswerkes, während die visuelle Exzesshaftigkeit das Fortbestehen der eigenen Relevanz zementiert. Ready Player One ist aber keine Aktualisierung der Stoffe und Motive seines Regisseurs, sondern eher die Behauptung ihrer Zeitlosigkeit. Wäre er ein Hit aus den 80ern, dann „Forever Young“.

Ready Player One
USA 2018
Regie: Steven Spielberg
Cast: Tye Sherida, Olivia Cooke, Ben Mendelsohn, Lena Waithe
Kinostart: 5. April

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