Schnapsideen – Erfindergeist im 21. JahrhundertDiesmal: Ordercube, Juicero und Kukki

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Technologien können die Welt verbessern. Können …

In unserer Welt der nicht aufhörenden Digitalisierung und permanent fortschreitenden, globalen Machtergreifung durch das Silicon Valley glauben wir alle mittlerweile daran: Technologien können unsere Welt verbessern. Ausgeprägter Erfindergeist und tolle Produkte machen den Alltag einfach geschmeidiger. Muss ja. Jeder kann Daniel Düsentrieb sein, lautet die Devise. Dass dabei nicht alle Geniestreiche so revolutionär sind wie die Erfindung der Dampfmaschine, man kann es sich denken. Diesen Monat: drei Erfindungsverfehlungen aus dem hippen Sektor Food und Gastronomie.

Ordercube Schnapsideen

Ordercube

Erinnert sich jemand an das Heft „Asterix in Spanien“? Dort gab es den kleinen Pepe, Sohn des spanischen Häuptlings Costa y Bravo, der jedes Mal, wenn er seinen Willen durchsetzen wollte, seine Luft solange anhielt, bis er rot und irgendwann grün und blau wurde. So konnte Pepe selbst Helden wie Asterix und Obelix kleinkriegen. Ich weiß nicht, ob die Erfinder von Ordercube diese Asterix-Episode ebenfalls auf dem Schirm hatten. Das Konzept klingt indes irgendwie ähnlich. Ordercube ist ein LED-Würfel, der als Dekoelement auf Restauranttischen platziert wird und über zwei Buttons verfügt. Mit dem einen kann man signalisieren (wie im Flugzeug auch), dass man bedient werden möchte. Mit dem anderen, dass man zahlen will. Das visuelle Feedback soll eine dichtere Bindung zwischen Service und Gästen schaffen, so die Macher aus München. Reagiert der Service nicht direkt auf das Lichtsignal, verfärbt sich die leuchtende LED mit fortschreitenden Minuten. Irgendwann ist der Würfel rot, was in etwa bedeutet, dass der Gast mega-angry ist. Für Gastronomen, die sich gerne selber ein Fallseil legen, bestimmt eine super Idee. Wenn Gäste auf der Hacke wieder kehrtmachen, wenn sie ein Restaurant betreten, das auf jedem Tisch rote Lampen stehen hat. Ja, Service in Deutschland kann und muss besser werden. Ob so ein Senso-mäßiges Spielzeugdevice – das nichts anderes im Sinn hat, als die Performance der schlecht bezahlten Servicekräfte noch perfider zu tracken – hilft, das Esserlebnis besser zu machen? Man weiß es nicht. Und ob die Launen der Kellner dadurch besser werden – ebenfalls nicht. Ganz ohne smarte Technik gibt es ähnliches schon seit vielen Jahren in Korea, dort gibt es Türklingeln auf jedem Tisch. Stresst den Service zwar auch wie Hölle, ist aber um einiges billiger.

Ordercube

Juicero Schnapsideen

Juicero

Ein Gadget-Fail der Extraklasse, das in zahlreichen Medien im vergangenen Monat die Runde machte. Juicero ist ein „smarter“ Entsafter, der aber nicht wie handelsübliche Entsafter Obst entsaftet, sondern nur mit extra dafür vorproduzierten Juice-Packs kompatibel ist. Diese vorgeschnibbelten Obst- und Gemüsewürfel im (Nespresso-artigen, so gar nicht umweltfreundlichen) Alu-Astronauten-Pack sind – man kann es erahnen – ganz schön teuer. Sieben Dollar für 280 Gramm fein gewürfelte Gurken, Grünkohl und Apfel muss man schon wollen. Zwei davon pro Tag. Macht im Monat 420 Dollar (384 Euro) für vermeintlich frischen Saft (die Belohnungs-Wechseljuices nach dem Deep-House-Yoga nicht eingerechnet). Gerade zur Saison gibt es die Sorte „Pure Pomegranate“: 114 Gramm Granatapfel im Beutel für acht Dollar. Macht einen Kilopreis von über 70 Dollar. Wir reden nicht von Wagyu-Beef, bretonischen Austern, Hummer, Druckertinte oder Champagner sondern Granatäpfeln. Aber man benötigt natürlich auch den Juicero-Entsafter, der so proprietär ist wie ein IBM-Computer aus den frühen 80ern. Kostet noch mal 399 Dollar. Macht insgesamt für das erste Jahr mindestens 4.970 Euro – für Säfte. Hätten nicht findige Leute herausgefunden, dass man mit ein bisschen Muskelkraft, die Juicero-Safttüten auch per Hand einfach ausquetschen kann, was somit die ganze Peripherie irgendwie obsolet und Millionen-Investoren für das Produkt plötzlich ganz schön nervös machte, hätte das alles sogar ein großer Erfolg werden können, meinen sogenannte Tech-Analysten. Sagt irgendwie alles.

Juicero

Kukki Schnapsideen

Kukki

Ganz ähnliches Konzept wie Juicero (scheint gerade in der Luft zu liegen). Kukki ist eine Erfindung aus Deutschland und ist ein Toaster für kühle Cocktails aus der Flasche. Richtig gehört. Die Firma vertreibt ultra-artisanale Drinks in Glasflaschen mit Kronkorken, die tiefgekühlt angeliefert und dann bei Bedarf im 400 Euro teuren (extra dafür angefertigten) Toaster auf Betriebstemperatur gebracht werden. Ein bisschen so, wie wenn man einen Calippo für kurze Zeit auf die Heizung stellt, damit man die erste Viertelstunde nicht nur fasrige Pappe fressen muss. Kukki funktioniert natürlich auch nur mit den Flaschen von Kukki (wer sollte auch eine Flasche Bier in den Toaster stecken wollen) und was eine überfüllte Bar macht, wenn ein Tisch 15 Flaschen Kukki auf einmal bestellt, wird auch nicht erklärt. Denn der 400-Tacken-Toaster hat Platz für exakt ein Gebinde. Die Thekenkraft müsste also die Getränke erst toasten, die ersten dann zwischenkühlen und dann am Ende nachdem alle getoastet wurden, den ersten Schwung wieder aus dem Kühlschrank holen, um sie dann an den Tisch zu bringen. Wie ganz oben schon angedeutet, Servicekräfte können auch schon mal assi sein und sind nicht alle die hellsten. Das wäre aber ein Fall für Amnesty International.

Kukki

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