Ravegeschichte: 25 Jahre 1992Heute: „Don't You Want Me“ von Felix

1992 war das große Jahr von UK-Rave, Breakbeats und Hardcore. Das-Filter-Redakteur Jan-Peter Wulf stellt euch in seiner Kolumne die Stücke vor, mit denen ein Undergroundphänomen zum Chartbreaker-Lieferant wurde. Eine kurze, aber spannende Zeit, die vor 26 Jahren begann und vor 24 Jahren schon fast wieder zu Ende war. Heute im Discman: „Don't You Want Me“ von Felix.

Wie einfach doch die Musikindustrie im Jahr 1992 noch funktionierte: Ich sehe dieses Musikvideo, finde das Stück gut, gehe in die Stadt (es war Stuttgart, da war ich zu Besuch, ich erinnere mich genau, es war das Kaufhaus Breuninger) und kaufe mir die Maxi-CD. Attention, Interest, Desire, Action: der feuchte, aber längst ausgeträumte Traum des Tonträger-Marketings.

„Don't You Want Me“ von Felix, diese Mischung aus Verschlungenheit und Haudrauf, ist der wohl erfolgreichste Ravepop-Track des Jahres, landet in den UK-Charts auf Platz sechs und in vier europäischen Ländern (Schweiz, Spanien, Italien und Finnland) ganz oben. Media Control listete es auf Rang zwei. Ein lupenreines Prefab-Stück, das Francis Wright, der Mensch hinter Felix, am Roland JX-1 zusammengestellt hat, wie die Rekonstruktion im Video zeigt. Das Stimmensample stammt von „Don't You Want My Love“ von Jomanda.

Rave-Keyboardunterricht: Wie „Don't You Want Me“ entstand

Sehen ein bisschen aus wie TLC, nur der Wasserfall fehlt: Jomanda

À propos Rekonstruktion: Erschienen ist „Don' You Want Me“ auf einem Label namens Deconstruction Records, und wenn der Track das Ravepop-Stück seiner Zeit ist, dann ist Deconstruction das Ravepop-Label seiner Zeit. Wobei die Betonung auf der Silbe „pop“ liegt: Hier erschien auch Musik, die heute auf WDR 2 laufen würde, zum Beispiel „Moving On Up“ von den M People (Bandmitglied Mike Pickering ist auch einer der Labelgründer), „Confide In Me“ von Kylie Minogue oder das unsägliche „Children“ von Robert Miles. Auch „Open Your Mind“ von U.S.U.R.A. kam hier heraus, ein frühes Stück des „Italo Techno“, dessen Epigonen Eiffel 65, Gigi D'Agostino und Co. uns bis in die Gegenwart verfolgen. Ein Label-Klassiker, erschienen bereits 1990, ist „Infinity“ von Guru Josh. Mein persönlicher Favorit ist „High“ von Hyper Go Go, sehr popravig ist auch die „Anthem“ von N-Joi.

Stampfen, stöhnen, bellen: „Open Your Mind“ von U.S.U.R.A.

„Anthem“ von N-Joi

„High“ von Hyper Go Go

Diese und weitere Stücke sind zu finden auf der 1995 veröffentlichten Label-Compilation „Deconstruction Classics“. Welche sich der Ravegeschichten-Erzähler damals nicht im stationären Handel, sondern beim legendären Versandhaus „Disc Center“ geordert hat. Das müsst ihr, liebe mit-dem-Smartphone-Flatrate-Streamer, so vorstellen: Oberstufler finden sich in der großen Pause zusammen, um gemeinsam den neuen Katalog (Papier) des Versandhauses aus Weikersheim durchzuarbeiten und gemeinsam den Bestellzettel auszufüllen – Versandkosten sparen – und sehnlichst darauf zu warten, dass die Tonträger-Lieferung doch endlich eintreffen möge. Die Heterogenität der individuell bevorzugten Stilrichtungen war da erstmal egal. Was einte, war der scheinbare musikalische Wissensvorsprung. Wir hatten ja sonst nichts.

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