Schnapsideen – Erfindergeist im 21. JahrhundertDiesmal: Pawbo, Prepd & i.Con

Schnapsideen 1

Illustration: Susann Massute, Material (u.a.): Paul K/Bibliodyssey Manuel de Tourneur l (license)

Technologien können die Welt verbessern. Können …

In unserer Welt der nicht aufhörenden Digitalisierung und permanent fortschreitenden, globalen Machtergreifung durch das Silicon Valley glauben wir alle mittlerweile daran: Technologien können unsere Welt verbessern. Ausgeprägter Erfindergeist und tolle Produkte machen den Alltag einfach besser. Muss ja. Jeder kann Gründer sein und seine Idee realisieren, lautet die Devise. Dass dabei nicht alle Geniestreiche so revolutionär wie die Erfindung der Dampfmaschine sind, man kann es sich denken. Ji-Hun Kim präsentiert von nun an regelmäßig besonders gelungenen Mumpitz. Zur Zeit scheint vor allem das Thema „Internet of Things“ die Gehirne der Neupioniere gehörig zu vernebeln. Herr, lass Verstand regnen.

Schnapsideen 1 Pawbo

Pawbo

Smarte Überwachungskameras sind für die Industrie seit einigen Jahren ein spannendes Thema. Google ließ sich die Übernahme der Firma Nest im Jahr 2014 auch amtliche 3,2 Mrd. Dollar kosten. Klingt nach viel Geld. Dass man so nun aber weiß, was für Unterwäschenfarbvorlieben und Wohnzimmersexverhalten die User mitbringen: ein fairer Preis. Reality-TV findet heute nicht mehr im Fernsehen statt, sondern in den Headquarters von Amazon, Google, Facebook, NSA und der CIA. Irgendwie gemein, dass man nicht mitgucken darf. Vernetzte Kameras sind ja prinzipiell leicht zu hacken und es sollte für jeden Menschen Dinge in den eigenen vier Wänden geben, die einfach privat bleiben. Aber es gibt immer wieder Firmen, die dubios-undurchsichtige Businessmodelle mit nicht weniger strangen Gadgets an den Mann bringen wollen. Hier kommt Pawbo ins Spiel. Eine interaktive Heimkamera mit Internetanschluss – allerdings nicht für Menschen und überwachungswahnsinnige Stressmütter sondern Haustierbesitzer.

Pawbo ist ein Überwachungs-Tool für Katzenbesitzer, die auch während ihrer Arbeit wissen wollen, was die Feline in der 27qm-Einzimmerwohnung tagsüber treibt. Praktisch: Man kann mit dem Tier über die weiße Video-Kapsel sprechen, Soundeffekte abspielen, Leckerlis per Automat verteilen und mit der App sogar einen Laserpointer über den Küchenboden jagen, damit die fette Katze ein bisschen Bewegung bekommt. Das soll intime Fernnähe erzeugen, die meisten Features dürften dem Haustier aber relativ egal sein (außer den Leckerlis). Mehr Sicherheit wie angepriesen bringt es auch nicht. Weil, wenn eine Katze oder Hund die Vase umwirft, was hat man davon, wenn das auf dem Handy zu sehen ist? Hinspringen und auffangen? Schließlich wird sogar suggeriert, dass man sich dank solch eines Produkts noch weniger um sein Tier zu kümmern braucht. Laut Pressemitteilung könne man gar den wochenlangen Sommerurlaub mit weniger Sorgen genießen. Weil es gibt ja Pawbo – Ist praktisch und kostet nur einmalig 200 Euro. Am Ende bleibt aber eine philosophisch-juristische Frage, die generell für vernetzte Kameras gilt: Wäre es unterlassene Hilfeleistung, wenn ein Datendieb, Pawbo-Mitarbeiter oder BNDler einen Brand per Videostream in einer Wohnung mitbekommt, dann aber nicht die Feuerwehr ruft?

Pawbo

Prepd 3

Prepd

Es gibt Menschen – ich kenne einige in meinem Umfeld – die haben so gut wie gar keinen Bezug zu Essen und Kochen. Man macht es im Notfall, holt sich schnelle Fertigware, Shawarma, Burger und wundert sich, wieso man nicht aus dem Dispo kommt, weil man jeden Monat mindestens die Monatsmiete für Deliveroo und Co. ausgibt. Anyway. Aber fehlende Bildung und Gefühl für gute Ernährung lässt sich mit Technik im Nu ausmerzen, glauben zumindest die Macher von Prepd – der ultimativen Lunchbox für Start-up-Selbstausbeuter und andere Perma-Beschäftigte. Denn selbst gemachtes Essen mit ins Büro zu bringen ist gesund, günstig und bringt Abwechslung. Klingt einleuchtend. Für Kochmuffel gibt es daher die dazugehörige App, die jeden Tag Rezepte vorschlägt, die nicht nur schnell nachzumachen sein sollen, sondern auch – Zitat – „instagram-worthy“ sind. Ist ja heuer auch egal, ob lecker, Hauptsache fotogen. Prepd beinhaltet gläserne Aufbewahrungsdosen, ein magnetisches Besteckset, fesches Design und kostet läppische 69 Dollar. Am Ende ist das Versprechen so nachhaltig wie ein Teleshopping-Bauchwegtrainer. Es wäre schön, gäbe es ein digitales Device, das einen Lebensstil ändern kann. Am Ende sind die Gründe wohl doch eher analoger Natur.

prepd

Schnapsideen 1 icon

i.Con

Die Generation Tinder hat eine eigenartige Spezies Mensch auf die Welt gebracht. Casual Sex so oft wie möglich, mit möglichst vielen unterschiedlichen Partnern – man ist ja frei. Bumsen als wäre es ein Videospiel. Es gibt Männer und Frauen, die sammeln Dates wie andere Bierflaschen, Beziehung ist ja auch ziemlich Biedermeier. Ist ja alles schön und gut. Ist die Freiheit doch ein wichtiges Gut, das die Gesellschaft über viele Jahrhunderte hart erkämpft hat. In den vergangenen Wochen gab es wohl kein Gadget, das durch so viele Blogs und Webseiten gereicht worden ist wie i.Con. Laut Hersteller handelt es sich um „the world’s first smart condom“. Wobei die Bezeichnung irreführend ist, handelt es sich doch eigentlich um einen Cockring und gar nicht um ein Präservativ. Dieser mit Sensoren ausgestattete Cockring misst (einmal über den Penis des Users appliziert) Kalorienverbrauch, Geschwindigkeit der Stöße, Gesamtzahl der Stöße, die Häufigkeit der „Sessions“, Gesamtdauer aller „Sessions“, durchschnittliche Stoßstärke, Messung des Schaftdurchmessers, Hauttemperatur und sogar die unterschiedlichen Positionen sollen getrackt werden können. Alle Daten werden laut Hersteller „anonym“ auf den Servern gespeichert (ne, ist klar …), können aber bei Bedarf (da wird’s lustig) mit Freunden geteilt und verglichen werden. Wer’s braucht – und überhaupt, soll ja jeder machen, wie er Spaß dran hat. Wem der Performance-Index seines Jobs bei Boston Consulting nicht reicht. Ich stelle mir nun aber ein zeitgenössisches Tinder-Date vor. Kurzes Abchecken, mit Hochdruck betanken und zack-zügig in die Horizontale. Morgen halb zehn wichtige Präsentation beim Kunden. „Sag mal Tim, was ist das denn bitte?“ „Nur mein i.Con, damit kann ich meine Performance beim Sex messen und die Daten mit meinen Kumpels teilen – cool, nicht?“ „Hmm, und das benutzt du bei jedem deiner Sex-Dates?“ „Klar, seit einem halben Jahr, macht echt Bock.“ „Wie jetzt?! Du hast dich mit diesem Ding stundenlang an mindestens 70 Muschis gerieben und willst das jetzt bei mir?!“ „Hey, lässt sich doch voll easy reinigen – … Ey sag mal, ist was? Alles ok?“

i.Con

Kalkulierte Kühle, Breakbeat-Brexit und ein warmes Warm-UpVarg, Shed, Octo Octa: drei Alben, drei Meinungen

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Wild Pink, Mr. YT und Lusine