Review: Powerbeats Pro von Beats by DreDie InEar-Punktlandung

Powerbeats Pro lede

Nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung der neuen AirPods beginnt Apple damit, die Powerbeats Pro auszuliefern – wenn man so will, ist es das direkte Konkurrenzprodukt aus dem Hause Beats by Dre. Doch Konkurrenz ist das falsche Stichwort. Auch wenn der Vergleich natürlich naheliegt, sind beide Produkte vollkommen unterschiedlich und teilen sich lediglich ein bisschen technische DNA. Spoiler: Mit den Powerbeats Pro ist den Beats-Ingenieur*innen etwas sehr Beachtliches geglückt. Für alle dürften sie dennoch nicht unbedingt die richtige Wahl sein.

Als Apple im Dezember 2016 die AirPods auf den Markt brachte, waren die komplett kabellosen Ohrhörer zwar schon erfunden, spielten aber noch keine wirklich große Rolle im Kopfhörer-Dschungel. Viele Hersteller hatten es versucht – auch große Player –, die meisten waren mehr oder weniger kläglich gescheitert. Die Technik, so schien es damals, war einfach noch nicht so weit. Den Sweetspot zwischen Funktionalität, Akkulaufzeit und Sound zu erwischen, gestaltete sich schwierig. Die einen waren zu leise, andere nach 45 Minuten leer, und wieder andere machten arge Verbindungsprobleme. Die AirPods machten hinter all diesen Problemen ein Häkchen. Seitdem sind sie zum kulturellen Phänomen avanciert. Auch ich habe sie regelmäßig immer wieder mal im Einsatz, meine täglichen Begleiter sind sie dennoch nicht. Das ist dem Design geschuldet. Ihr lockerer Sitz in den Ohren macht jedwede Abschirmung der Außenwelt zu einem Ding der Unmöglichkeit, und so kommen sie gegen Alltagsgeräusche schlicht und einfach nicht an. Und wer will schon zwei Minuten Podcast verpassen, nur weil das Martinshorn des Rettungswagens die Rettungsgasse lautstark und zu recht einfordert? An diesem Problem ändert auch die zweite Generation nichts, die vor wenigen Wochen in den Handel gekommen ist. Ja, dazu bin ich hier auf diesem Kanal noch einen Text schuldig. In Sachen Verbindungsstabilität, der an ihrer winzigen Größe gemessenen Laufzeit und genereller Praktikabilität sind die AirPods jedoch nach wie vor unerreicht.

Diesen technischen Vorsprung reichte Apple damals an das eigene Tochterunternehmen Beats by Dre weiter – in Form der BeatsX. Klanglich überlegen, weil eben keine locker sitzenden Ohrhörer, sondern InEars mit mehr Abschirmung, dafür aber auch noch mit Nackenkabel. Kann man der Generation Z natürlich nicht mehr anbieten heutzutage – viel zu oldschool. Mit den Powerbeats Pro legt Beats by Dre das erste neue Produkt seit Herbst 2017 vor. Vollständig kabellose InEars, ausgestattet mit Apples neuem H1-Chip (das H steht für „Headphones“), mit langer Akkulaufzeit (bis zu neun Stunden am Stück), schickem Lade-Case, wasser- und schweißabweisend und: mit physikalischen Knöpfen. Dieses Paket kostet dann 250 Euro, also nochmal mehr als die AirPods. Nächste Woche soll endlich die Auslieferung in Deutschland beginnen. In den USA ist die erste Charge bereits vergriffen. Was – so viel sei verraten – keine Überraschung ist. Beats vermarktet die InEars als Sportkopfhörer. Aber – auch das sei bereits verraten – für jeden Nicht-Sportler funktionieren sie genauso gut. Man muss nur wissen, worauf man sich einlässt. Genau das habe ich in den vergangenen zwei Wochen getan.

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Ich frage mich ja manchmal, wie das eigentlich läuft. Wie in einem Mega-Konzern wie Apple Entscheidungen getroffen werden, Wissen geteilt und in Produkte gekippt wird. Denn eigentlich ist es seit der Übernahme von Beats um das Unternehmen von Dr. Dre und Jimmy Iovine eher still geworden. Apple selbst gibt in Sachen Audio immer mehr Gas, und Beats macht vor allem limitierte Auflagen bestehender Produkte. Aber egal. Mit den Powerbeats Pro liegt ein ziemlicher Smasher auf dem Tisch. At last.

Die Außenwelt verschwindet nicht vollständig, wird aber genau richtig gedämpft, sodass Musik, Podcasts oder Radio immer präsent sind und sich gegen den Wahnsinn da draußen problemlos durchsetzen können.

Bass, how low can you go

Nicht so sehr. Oder zumindest: Deutlich weniger als früher. Bei Beats hat offenbar ein Umdenken stattgefunden in Sachen Sound-Signature. Das Unternehmen selbst interpretiert das als Lernprozess, was natürlich die gesamte PR-Strategie der vergangenen Jahre zunichte macht, mir aber sehr gut gefällt. Die Powerbeats Pro klingen erstaunlich ausgewogen, mit einer korrekten Portion Punch, die das restliche Frequenzspektrum nicht wegbasst. Tatsächlich ist es ein absolut erfrischendes Gefühl, mit den InEars durch die Stadt zu laufen. Die Außenwelt verschwindet nicht vollständig, wird aber genau richtig gedämpft, so dass Musik, Podcasts oder Radio immer präsent sind und sich gegen den Wahnsinn da draußen problemlos durchsetzen können. Ich hoffe, dass sich dieses neue Konzept der Klang-Einstellung auch in kommenden Beats-Produkten fortschreiben wird.

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Powerbeats Pro im direkten Vergleich mit einem Apple AirPod

Auch die Bedienung überzeugt. Bei den Powerbeats Pro wird nicht getippt, sondern gedrückt. Wie geil ist das denn? Beide Ohrhörer haben ihre eigene Lautstärkewippe und dazu noch einen Knopf. Der steckt hinter dem Beats-Logo, das natürlich gut sichtbar an den Seitenteilen prangt. Gegenüber den AirPods ein großer Vorteil, der beweist, dass erstens Sprachsteuerung nicht alles ist und zweitens gelernte Prozesse nicht zwangsläufig auf den Technik-Friedhof gehören. Die Lautstärkewippe ist selbsterklärend. Der B-Knopf jedoch hat ziemlich Power unter dem B – auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass er einen besseren Druckpunkt hat, aber auch damit lernt man schnell umzugehen.

Die Vielzahl der möglichen Kommandos muss man hingegen pauken. Ein Druck: Play oder Pause – das ist einfach. Doppelter Druck: nächster Song – auch das ist mittlerweile muscle memory. Das Gleich gilt für den dreifachen Druck, um zum vorherigen Track zurückzuspringen. All das lässt sich an den AirPods auch noch bewerkstelligen. Drückt man den Knopf jedoch zwei Mal und hält ihn dann gedrückt, kann man vorspulen. Wie geil ist das denn? Eine fast vergessene Kulturtechnik kehrt in der Hochzeit des Bluetooth-Zeitalters zurück. Zurückspulen funktioniert ebenso: Nur drei Mal drücken und dann gedrückt halten. Der Zugriff auf Siri ist natürlich ebenso möglich: Die Powerbeats Pro hören immer zu – ein „Hey Siri“ reicht, um die Assistenz zu aktivieren, alternativ dazu kann man auch den B-Knopf länger gedrückt halten. Die Powerbeats Pro bieten nicht nur mehr Möglichkeiten zur Interaktion, das zugrunde liegende Prinzip ist auch nachhaltiger. Bei den AirPods lassen sich nur wenige Kommandos in Antipper auf die Ohrhörer übertragen – geteilt nach links und rechts. Das kann sich niemand merken. Hier herrscht Klarheit. Gut so.

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Das Lade-Case der AirPods passt locker in das der Powerbeats Pro

Get Your Groove On

Dann spricht doch eigentlich alles für die Powerbeats Pro? Hmmm, jein. Denn die InEars sind schon eine ziemliche Nummer. Das Tolle an den AirPods ist ja, dass sie so wahnsinnig bequem, also komfortabel im Alltag sind. Das Lade-Case ist klein und passt in jede Hosentasche. Steht man an der Kasse im Supermarkt, ist einer der beiden Hörer in einer Millisekunde aus dem Ohr genommen und danach wieder eingesetzt – ein wenig Respekt dem Kassenpersonal gegenüber ist immer angemessen. Mit den Powerbeats Pro ist das nicht ganz so einfach. Das Lade-Case ist deutlich größer, das möchte man sich nicht in die Hosentasche stecken. Und auch das Design der Hörer selbst macht das Handling im Alltag nicht ganz so leicht. Abnehmen lassen sie sich schnell und unproblematisch. Dank des Bügels, der über das Ohr gespannt wird, ist das Einsetzen aber nicht ganz so leicht – das überlegt man sich an der Kasse dann schon zwei Mal. Hier offenbart sich der Sport-Einsatz. Hat man die wirklich passenden Silikon-Aufsätze gefunden, sitzen die Powerbeats Pro bombenfest, lediglich im Alltäglichen entpuppt sich das unter Umständen als kleine Falle. Im Gym steht man halt nicht an der Kasse. Das muss man wissen, wenn man die neuen InEars kaufen will oder sich dafür interessiert. Konstantes Rein und Raus geht zwar, ist aber nicht so bequem wie bei den AirPods.

Mit diesen vermeintlichen Widrigkeiten kann man umgehen, ohne Probleme. Entweder man macht sich an der Kasse zum Clown oder man überlegt sich kleine Hacks. Der Ohrbügel lässt sich wunderbar an der Hose einhaken, oder man lässt ihn eben einfach drin. Herrgott, das Personal geht wahrscheinlich auch nicht anders einkaufen. Die Verrohung der Gesellschaft besprechen wir ein anderes Mal. Fakt ist: Die Powerbeats Pro sind verdammt gute InEars. Und damit nur begrenzt bis gar nicht als Konkurrenz zu den AirPods zu sehen. Die eigenen sich gut für das Hören im Zen-Garten der Stille. Die kann in eben jenem Zen-Garten stattfinden oder schlicht zu Hause. Mit den Powerbeats Pro besteht man auch im urbanen – sprich lauten – Alltag, mit der richtigen Portion Bass und auch alle anderen Frequenzen. Dank der langen Batterielaufzeit muss man das sperrige Case auch gar nicht nicht immer dabei haben. Wer mit besonders gut erhaltenen Ohren auf größtmögliche Convenience steht, greife zu den AirPods – allen anderen, mit einem realistischeren Tagesablauf sei ein Blick auf die Powerbeats Pro dringend empfohlen. Lange Laufzeit, toller Sound und ein ebenso toller Tragekomfort sprechen für sich.

Die Powerbeats Pro sind ab dem 7. Juni offiziell in Deutschland erhältlich. Wie gut die Verfügbarkeit in den Apple Stores sein wird, ist nicht bekannt. Wer jetzt online bestellt, kann ab dem 20. Juni mit Lieferung rechnen.

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