Ravegeschichte: 25 Jahre 1992Heute: „A Trip To Trumpton“ von Urban Hype

1992 war das große Jahr von UK-Rave, Breakbeats und Hardcore. Das-Filter-Redakteur Jan-Peter Wulf stellt euch in seiner Kolumne die Stücke vor, mit denen ein Underground-Phänomen zum Chartbreaker-Lieferant wurde. Eine kurze, aber spannende Zeit, die vor 26 Jahren begann und vor 24 Jahren schon fast wieder zu Ende war. Heute fahren wir nach Trumpton, Kinder.

1992 und 2017 liegen politisch gesehen gar nicht weit auseinander. Vor 25 Jahren, im April, gewannen die Tories zum vierten Mal hintereinander die Wahlen, John Major wurde im Amt bestätigt und kurze Zeit später musste sich sein Land wegen anhaltender wirtschaftlicher Schwäche aus dem „Exchange Rate Mechanism“ der EU verabschieden (ein früher Brexit). Der ERM war ins Leben gerufen worden, um Geldstabilität und schwankende Wechselkurse innerhalb der Union zu unterbinden. Heute, 2017, hat Großbritannien wieder eine konservative Regierung. Die gerade im Amt bestätigt worden ist, allerdings mit einem Pyrrhussieg, denn statt einer stabilisierten Mehrheit haben die Konservativen unter Theresa May mit ihrer forcierten Neuwahl viele Stimmen eingebüßt. Wohin trudelt die Insel, zumal da ja auch noch ein Brexit ansteht? Shaky times, now and then.

Was das mit unserer Ravegeschichte zu tun hat? Nun ja: Vielleicht war 1992 dancemusikalisch betrachtet auch deswegen ein so starkes Jahr in UK, weil es so ein derart desillusionierendes Jahr war. Hohe Arbeitslosigkeit, wenig zuversichtliche Perspektiven. Die Antwort: Feiern, weil es nichts zu feiern gibt. Existentialismus. Wir haben den Dancefloor und die Welt muss leider draußen bleiben. Hedonismus und eine Line Infantilität. Kaum ein Track versinnbildlicht diese Befindlichkeit so sehr wie „A Trip To Trumptown“ von Urban Hype, das es auf Platz sechs der UK-Charts schaffte. Ein aus heutiger Sicht irrwitziger Trackname. Trumpton, das muss Dystopia sein. Es ist aber das britische Lummerland, denn der Name rührt her von einer BBC-Kinderserie aus den späten 1960er-Jahren, einer Kleinstadtidylle mit einem Dachdecker, einem Floristen und einer Feuerwehr. Deren Anwesenheitsappell ist das zentrale Sample des Tracks: „Pugh, Pugh, Barney McGrew, Cuthbert, Dibble, Grub.“ Es folgt die Trillerpfeife, es folgt das grandiose Piano. „I feel the heat, I want your body.“ So und nicht anders muss Rave anno 1992 sein. Kindisch, selbstvergessen, ab geht die Post.

Die Feuerwehr aus Trumpton zählt sich durch.

Auch eine BBC-Hommage: „Charly“ von The Prodigy

„Sesame's Treet“ von den Smart E's

„Living In A Dream“ von Urban Hype

Kindheit im Rave zelebrierten auch The Prodigy mit ihrem ersten Hit „Charly“ (1991), dessen Sample aus einer BBC-Ratgeberreihe für Kinder (!) stammt, „Charly says“ (always tell your mummy before you go off somewhere), und „Sesame's Treet“ von den Smart E's (1992) ist wohl selbsterklärend. Viele viele bunte Smarties, schon klar.

Übrigens: Urban Hype haben mit „Conspiracy To Dance“ 1992 ein wirklich knackiges Ravealbum vorgelegt, dessen zweiter großer Hit „Living In A Fantasy“ mit Taylor-Dayne-Samples war. Klingt auch heute noch gut. Stichwort heute: Wo ist eigentlich der Rave anno 2017, liebe Insel? Die Lage der Nation ist ja nun schließlich bescheuert genug.

Strand-BusinessSo war die MIDEM 2017, das Branchentreffen der Musikindustrie

Rewind: Klassiker, neu gehörtTalking Heads – 77 (1977)