Plattenkritik: Gia Margaret – Romantic Piano (Jagjaguwar)Rückzug zur Romantik

Gia Margaret – Romantic Piano Cover

Man muss das Klavier nicht neu erfinden, um es besser zu machen. Das dritte Album von Gia Margaret versteht, mit wenigen Mitteln große Geschichten zu erzählen.

Mich hat bereits das erste Album „There’s Always Glimmer“ von Gia Margaret im heißen Sommer von 2018 schon sehr abgeholt. Die Chicagoer Musikerin beeindruckte mit ausgefeiltem Songwriting und feingeistigen Arrangements. Im Folgejahr verlor die Künstlerin auf Tournee ihre Stimme und war quasi gezwungen instrumentaler zu werden. Sie fokussierte sich wieder mehr auf ihr erstes Instrument, dem Klavier, und experimentierte mit Elektronik und Ambientstrukturen. „Romantic Piano“ ist nach „Mia Gargaret“ von 2020 ihr drittes Album und es ist ein offenes und sehr reifes Werk geworden. Der Albumtitel ist schon fast provokativ zu verstehen. Man kann bei romantischem Klavier an vieles denken. An Robert Schumann, Chopin oder Richard Clayderman, aber auch an schwülstigen Neo-Klassik-Pop, der aber oft pappig und nach Haribo schmeckt.

Gia Margarets Songs sind großteils instrumental, sind aber in den Kompositionen lyrisch und nicht eine Sekunde kitschig oder beliebig. Tape-Kompressionen, Field Recordings und behutsame Synthesizer schaffen genauso so akustische Interpretationsräume wie akustische Gitarren und Blechbläser. Die zwölf Songs haben einen cineastischen Sog, wie man ihn auch vom kürzlichen verstorbenen Großmeister Ryuichi Sakamoto kennt. Die Ästhetik ist aber eine andere. Margaret sucht das Rauschen, das Vierspurige, die schüchterne Intimität. Das ist alles eindringlich berührendes Programmkino und zeigt, dass trotz aller Inflation von Klaviermusik in den vergangenen Jahren, alle Register bei weitem noch nicht gezogen sind, vor allem, wenn man wie Gia Magaret versteht, aus wenig so viel zu kreieren. Es wirkt wie eine neue Blaupause für romantische Klaviermusik im 21. Jahrhundert. Ein Entwurf, der mich in vielerlei Hinsicht persönlich begeistert und tangiert. Die besten Dinge können gerne einfach gehalten sein, gerade wenn mit Genialität nicht hausiert wird, sondern zwischen den Zeilen und im Hintergrund erstrahlt.

Plattenkrititk: Isolée – Resort Island (Resort Island)Ladislav Bonita

Pageturner – Juni 2023: Ankommen, Klarkommen, UmgehenLiteratur von Natasha Brown, Esther Becker und Marlen Hobrack