Plattenkritik: Glenn Astro presents Nothing Is Real (Tartelet)Fiktionales Mixtape

glenn astro

Glenn Astro versammelt auf seiner Compilation Stücke von Künstler:innen, die ihm am Herzen liegen – vielseitige Musik zwischen Downtempo, Ambient, Techno und gebrochenen Beats. Könnte man meinen, doch ganz so ist es nicht.

Denn die hier zusammengetragenen Stücke stammen nur scheinbar von den aufgeführten Künstler:innen wie DJ 1999, Mental Trance, Eye Soul8r oder Brain Liquor – die genannten Acts rein fiktional. Es gibt sie nicht, beziehungsweise es steckt immer dieselbe Person dahinter: natürlich Glenn Astro. Er bedient sich dieses charmanten Kniffs, um der Vielseitigkeit seiner Tracks zusätzlichen Ausdruck zu verleihen, sie von seiner Person zu abstrahieren und einer Persona zuzuordnen. Ursprünglich hatte er die Idee, ein Mixtape aus eher unbekannten Dance-Tracks der Neunziger- und Nullerjahre zu kompilieren (ein Mixtape hat er auch für uns gemacht). Doch anstatt ewig zu diggen, hat er die Stücke dann einfach selbst produziert.

Was ist Original, was ist Nachbau, was ist Reminiszenz, was ist Plagiat? Mit diesen Fragen dürft ihr euch während des Hörens von „Nothing Is Real“ (nimmt die Antwort fast vorweg) gerne selbst auseinandersetzen. Oder besser noch: Stellt euch die Persönlichkeiten hinter den Tracks doch einfach mal vor – mit langsamen Breakbeats, trancigen Chords, Dub, Triphoppigem, Electro (alter Schule), dann einer 303 wie in DJ-Misjah-Zeiten und noch so manchem mehr hat Astro jedenfalls einen ganzen Köcher voller Effektpfeile parat und baut Bekanntes spannend von Neuem auf. In Asien nennt man das Shanzhai und ist mehr als einfach nur Pastiche oder gar Plagiat, es ist auch eine Würdigung und Wertschätzung des Originals – was immer das auch genau sein mag letzten Endes.

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