Max Richter, Grandbrothers, Ludwig GöranssonWochenend-Walkman – 15. Januar 2021

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Jeden Freitag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Max Richter, Grandbrothers und Ludwig Göransson.

Max Richter Opus 2020

Max Richter – Beethoven Opus 2020 EP

Thaddi: Irgendwie geht das Jahr wieder los. Warum? Keine Ahnung. Wohin das führen soll? Dto. Hier hocken wir also zwischen dem täglichen Aufstehen, den To-Dos, dem Streben, irgendwann die comfy trousers gegen etwas Vorzeigbares zu tauschen, wenn es hinausgeht in die maskierte Welt, um eine Paprika-Schote aus biodynamischem Anbau in Spanien zu kaufen, ein Stück Brot, vielleicht etwas Käse, nur um dann – nach dem Spaziergang um den Block – schnell wieder in den eigenen vier Wänden zu verschwinden, die comfy trousers wieder anzuziehen und darauf zu warten, dass es endlich dunkel wird und man die Flasche Wein entkorken kann – um pünktlich zur Tagesschau leicht beschwipst oder wasauchimmer durchs Zimmer zu fegen und auf den nächsten Morgen zu hoffen.

Kurz vor Weihnachten hat Max Richter eine neue EP veröffentlicht. Richter und EP – das allein ist ja schon ein Widerspruch in sich – eigentlich –, vielleicht aber auch nur angemessen. Seine Auseinandersetzung mit Beethoven – aufgenommen von der Pianistin Elisabeth Brauß, dem Beethoven Orchester Bonn und dem Dirigenten Dirk Kaftan im Beethoven-Haus Bonn – ist berührend und geht tief. Auf wenn man sich – wie ich – gar nicht mit dem Komponisten auskennt. Es gibt auch eine Referenz zu Stockhausen und dessen „Opus 1970“. Die ist mir egal, weil ich auch dieses Werk nicht kenne. Ich höre seinen Opus 2020 pur und ganz ohne Vorbildung, tauche ab, fühle mich bestens aufgehoben, gar behütet, drücke eine oder mehrere Tränen weg und sage danke.

All The Unknown

Grandbrothers – All The Unknown

Jan-Peter: Wir sehen uns ja zurzeit nicht so viel von Angesicht zu Angesicht wegen C. Weswegen die mitunter schönsten Momente im Büro gerade nur in meinem Kopf vor dem geistigen Auge zu sehen sind: Nämlich wenn es eigentlich ganz leise ist in Urban und doch ganz laut, wenn die Köpfe zwischen dem Kopfhörer der Büro-Kolleg:innen, wenn sie eine neue Platte hören oder eine alte oder was auch immer, sich zu bewegen beginnen. Wenn der Rhythmus, die Melodie, die gute Musik, ihre viszeralen Effekte zeitigt, der Körper zu schwingen beginnt, das Tastatur-Tippen präsenter wird oder aufhört und in lustiges Gestikulieren übergeht. Lustig ist auch immer, dass man dann das Atmen und Schnaufen lauter hört, weil unter den Muscheln gerade die Post abgeht. Ich sitze im Homeoffice, Blick auf den weißblauen Himmel, bin gut gelaunt: Die Grandbrothers haben ein neues Album draußen. Es ist wieder sehr schön geworden. „All The Unknown“ heißt und klingt doch wohlbekannt, wenn man das Werk des Duos verfolgt hat. Das präparierte Klavier – ist ja so ein Düsseldorf-Ding – ist bei ihnen besonders ravig, aber freilich ganz ohne den Nineties-Kitsch (für den ich eine große Schwäche habe). Es ist einfach angenehm melodisch, in sportlichem Schritttempo produziert. Wer es „neoklassisch“ mag, aber nicht zu schwelgerisch: Hier you go. Denn die Grundaussage dieses noch mal etwas elektronischer akzentuierten Albums, für das in Osnabrück zwei Flügel, ein Klavier und ihr legendärer Hämmerchen-Selbstbau aufgefahren wurden, ist für mich klar: Bewegt euch. Und wenn gerade nicht zusammen, dann eben allein. Nur ein bisschen. Zwischen den Kopfhörern.

Ludwig Göransson The Mandalorian Soundtrack Season 2 Cover

Ludwig Göransson – The Mandalorian: Season 2 (Original Score)

Ji-Hun: Der schwedische Filmkomponist und Produzent Ludwig Göransson schickt sich an, so etwas wie der neue Hans Zimmer in Hollywood zu werden. Der nerdige und understate Künstler hatte aber auch ein ziemlich gutes und erfolgreiches Jahr, und das obwohl die meisten Kinos dauerhaft zu hatten. Der 1984 in Linköping geborene Musiker produzierte und schrieb bereits für Childish Gambino, Chance The Rapper und Haim und war auch für die Scores von „Black Panther“, „Creed“ und „Venom“ verantwortlich. 2020 vertonte Göransson den Nolan-Blockbuster „Tenet“ und wirklich beeindruckt hat viele der großartige Soundtrack zur Disney+-Serie „The Mandalorian“. Das was Jon Favreau, Dave Filoni und Co. auch mit Staffel 2 hier auf die Beine gestellt haben, verdient ohnehin Respekt und die Stimmen, dass mit dem Kauf durch Disney, die Marke „Star Wars“ völlig verweichlicht würde, sind auch erstaunlich still geworden. Das lässt sich alles wie eine neue Generation im Blockbuster-Hollywood an. Eine Generation, die durch Geektum, Leidenschaft und Expertise überzeugt und weniger durch vermeintliches Genietum und Götzenverehrungen.

GideönUnser Mix der Woche

Leseliste 16. Januar 2021Merz, Rebekah, Virginia Astley, Insta-Riot