Wochenend-WalkmanDiesmal mit Kelly Lee Owens, Kid Koala featuring Emilíana Torrini und Autodidact

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Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.

Kelly Lee Owens - Artwork - WW01042017

Kelly Lee Owens – s/t

Thaddeus: Würde ich mich mehr um das 12“-Tagesgeschäft kümmern, wäre mir Kelly Lee Owens vielleicht schon in der Vergangenheit aufgefallen. Hier und da hat sie bereits Spuren auf Vinyl hinterlassen, u.a. mit dem ja oft sehr anständiges Zeug abliefernden Daniel Avery. Wie das klingt, habe ich, nachdem das Album ganz oldschoolig als Promo-CD bei mir auf dem Tischstapel endlich nach oben gespült wurde, bewusst nicht überprüft. Nehmen wir das Album lieber als das, was es ist. Und was ist es? Eine tolle, neue Stimme (sic!) in der vom Dancefloor geprägten Pop-Landschaft. Der Landschaft, in der es meistens abends und immer etwas bewölkt ist. Owens’ Klarheit und Unbekümmertheit allein lösen schon die unterschiedlichsten Assoziationen aus. Das klingt für mich mal wie eine konkrete Fortführung der besten Momente von Seefeel, mal schimmert eine Sarah Cracknell in jungen Jahren durch die Beats, plötzlich glaubt man wieder, Elizabeth Frazer zu hören. Nicht wirklich wichtig. Viel wichtiger ist, wie Owens’ auf dieser LP ihren ganz eigenen Weg findet. Sich der Dance Music verpflichtet fühlt, ohne sie dabei überzubetonen, sondern vielmehr als Vehikel für ihre Songs und Ideen nutzt. Sich nicht ranschmeißt (keine Dance-Album mit Vocals), auch nicht in den kratzbürstigen, Wave-verpesteten Neo-Underground abdriftet), sondern vielmehr in beeindruckender Weise zeigt, wie Pop heute klingen kann, wo der Pfad zwischen Anbiedern und Anecken immer schmaler wird.

Album bei iTunes

Kid Koala featuring Emilíana Torrini Cover WW 01042017

Kid Koala featuring Emilíana Torrini – Music To Draw To: Satellite

Ji-Hun: Wenn jemand je in der Lage gewesen sein sollte, aus einem Technics-Turntable so sehnsüchtige und herzzerreißende Töne zu entlocken wie Yehudi Menuhin aus der Violine, dann kann es nur Kid Koala sein. Eric San, so Koalas bürgerlicher Name, ist seit rund 20 Jahren der unantastbare Virtuoso im Bereich Sampling und Turntablism. Immer next level, so dass sich auch interessanterweise keiner je getraut hat, in die selben Metiers vorzustoßen. Nun ist alles anders. Kid Koala hat mit „Music To Draw To: Satellite“ ein Album gemeinsam mit der isländischen Musikerin Emilíana Torrini aufgenommen. Der erste Teil einer neuen Reihe, in der sich Kid Koala Synthesizern, Gitarren, Keyboards, Studiotechniken und anderen Instrumenten widmet. Das Ergebnis, das dabei herausgekommen ist, klingt weniger programmatisch als befürchtet. Es ist ganz im Gegenteil ein konsistentes, ambientes und warmes Elektronik-Album mit feinem Gespür für gutes Songwriting. Weder Kid Koala noch Emilíana Torrini haben wohl je so einen deepen Sound gemacht. Eine überraschende Kollaboration befreit von allem erdenklichen Feature-Mief. Gute Sache.

John Tejada Autodidact WW Maerz 2017 Cover

##John Tejada – Autodidact
Benedikt: In den 90ern hat DAS FILTER-Freund und -Liebling John Tejada als Autodidact (und dabei zum Teil an Seite von Langzeitmitstreiter Arian Leviste) eine Reihe von Platten beimm Label Electric Labelland veröffentlicht. Dabei ist es dann auch geblieben. Die 96/97 veröffentlichten fünf Platten sind alles was der Label- und Künstlerkatalog hergibt. Zwanzig Jahre später – genauer: vergangene Woche – sind all diese Tracks neu erschienen. Frisch gemastert, vereinigt auf einem einzigen digitalen Release, zu haben für einen Zehner. Da ich zur Zeit der Erstveröffentlichung gerade schriftliches Multiplizieren und Dividieren gelernt habe, geht die vermeintliche Nostalgie, die diesen Tracks innewohnt, nahezu an mir vorbei. Klar, das hohe Tempo zeugt von Vornullerzeit, ansonsten aber fügen sich diese Tracks perfekt ins heutige Bild von Acid und Deep House ein, legen dabei gern einen Schritt in Richtung Techno zu, bleiben aber stets auf Abstand zu jener Musik, die sich heute Techhouse nennt. Vielleicht der entscheidenste Unterschied zu heute: Was mittlerweile etablierte Rezeptur ist, war damals nur vage Zutatenliste. Da wird mutig ausgereizt und mal übers Ziel hinausgeschossen. Die runden Kanten von heute - damals noch nichtmal angeschliffen. Lange hat mir keine Platte mehr so viel „Spaß gemacht“. Das klingt denkbar unspezifisch, und trifft es trotzdem auf den Kopf.

Album bei bandcamp

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