Podcast-Kritik: MoonfaceHybrides Leben in der Metro Area von Los Angeles

Moonface

Dieser Podcast ist genau das Richtige für die träge Zeit zwischen den Jahren: Sechs relativ kurze, aber auditiv ungemein reiche Folgen nehmen uns mit in das komplizierte Leben des Protagonisten Paul. Die Art und Weise, wie „Moonface“ Intimität schafft und zugleich Räume öffnet, ist geradezu richtungsweisend.

Denn woran mangelt es vielen fiktionalen Podcasts, die versuchen, eine persönliche Geschichte zu erzählen? An „auditiver Einfühlsamkeit“, könnte man sagen. An Nähe zum Innenleben der Menschen. Das klassische Hörspiel bedient sich nicht selten innerer Monologe, um diese Form der Teilhabe zu erzeugen, hier allerdings wird ein ganz anderer Weg gewählt: Soundscapes teils großartiger Qualität lassen den Hörer tief eintauchen. Wirklich, bei „Moonface“ wünscht man sich, die Akustik der Orte, die durchstreift werden – Divebars, Restaurants und Clubs, irgendwelche Nonplaces im Großraum L.A. mit dem permanenten Rauschen von entfernten Kraftfahrzeugen – gäbe es noch mal als separate Tonspur zum Podcast. Inklusive der ganz großen Audio-Momente, etwa wenn aus einem vorbei laufenden Jogger auf einmal ein Dancesound wird.

Nein, „Moonface“ ist kein Experimentalpodcast mit Field Recordings als Selbstzweck, wie sie in letzter Zeit mit Formaten wie „Slow Radio“ in Mode gekommen sind. Vielmehr werden die akustischen Mittel unterstützend eingesetzt. Im Zentrum des Sechsteilers steht ein Mensch, Paul, Mitt-, eher Endzwanziger, der immer noch bei seiner Mutter in Downey lebt, einer gesichtslosen Stadt am Rande von Los Angeles, die ausschließlich dafür bekannt ist, dass es hier die dienstälteste McDonald's-Filiale gibt. Pauls Eltern sind einst aus Korea in die USA gekommen, der Vater lebt nicht mehr.

Paul ist schwul, seine Mutter weiß das nicht (oder vielleicht doch), eigentlich will Paul es ihr schon lange sagen, doch zwischen den beiden gibt es eine nicht nur sprachliche Barriere: Die Mutter spricht nur wenig Englisch, wenngleich sie sich bemüht, die Sprache zu lernen, der Sohn spricht nur wenig Koreanisch und hat auch keine großen Ambitionen dazu. Die daraus entstehenden Verständigungsprobleme teilt der Hörer – in einem visuellen Format gäbe es vermutlich Untertitel, hier freilich nicht. Geld ist immer knapp, Paul und seine beiden – urkomischen – Freunde schlagen sich mit Arbeiten im China-Restaurant oder Ticketabreißen im Kino durchs Leben, haben sich damit arrangiert. Dann verliebt sich Paul in einen wohlsituierten Typen aus Downtown L.A., der nicht mal so recht weiß, wo Downey liegt, und fängt gleichzeitig an, einen Podcast-Kurs zu machen, um sich etwas beruflich Neues aufzubauen. Und dann steht da noch die Reise mit der Mutter nach Korea an, hin zu Verwandten, die Paul kaum kennt und die noch weniger Englisch sprechen als seine Mutter … „Moonface“ ist eine Geschichte über Hybridität und In-betweenness, über das langsame Erwachsenwerden, über Rassismus und Diskriminierung, über das leise Leben am Rande einer Gesellschaft. Der Kopf dahinter ist James Kim, der beim Podcast-Dickschiff Gimlet an diversen Produktionen mitgewirkt hat und als Kind koreanischer Migranten freilich viele autobiografische Elemente hat einfließen lassen. Moonface ist nicht durchgängig großartig – manchmal wirken die Dialoge etwas holzschnittartig, doch wartet mit vielen großen und kleinen Momenten auf.

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