Leseliste 09. Juni 2019 – andere Medien, andere ThemenBuchläden im Porträt, Madonna, Neoliberalismus und die Feinde von Big Tech

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

Bücher verkaufen in Großbritannien

Wer sich heute dazu entschließt, ein Einzelhandelsgeschäft zu eröffnen, dem zeigen die Banken und Berater in der Regel einen Vogel. Weil: Amazon hat es doch eh im Angebot – preisgünstiger, mit der passenden Logistik und überhaupt. Es ist heute kaum noch vorstellbar, dass Amazon als Buchhändler begann. Was für ein unfairer Kampf, der landauf, landab weltweit Spuren hinterlassen hat. Natürlich hat Amazon schon längst keinen Bock mehr auf dieses Business. Aber die von Jeff Bezos gepushte Alternative des E-Books ist auf dem absteigenden Ast – gedruckte Bücher verkaufen sich wieder besser. Stephen Moss nimmt das zum Anlass, für den Guardian durch UK zu reisen und Buchhandlungen zu besuchen. Das Ergebnis ist durchaus hoffnungsvoll. Man kann gegen die Übermacht des Online-Handels bestehen, wenn das Konzept stimmt. Eingeschnitten sind dabei O-Töne von Mitarbeiter*innen der Kette „Waterstones“. Das Unternehmen musste in Großbritannien reichlich Federn lassen und hat sich dank eines neuen CEOs neu erfunden – auf Kosten der Angestellten. Einfach ist der Verkauf von Büchern im stationären Handel immer noch nicht. Am Ende ist dieses Konzept aber ebensowenig. Ein vielstimmiger Realitätsabgleich.

„Most of the bookshops in this part of London have closed, but we’re still hanging on.“

Unputdownable! The bookshops Amazon couldn't kill

Big Tech Feinde

Senatorin Elizabeth Warren hat die Zerschlagung von Facebook gefordert, die EU will dem Datenhandel per GDPR Einhalt gebieten und Google-Mitarbeiter rund um den Globus üben sich im Protest. Auch wenn Aktienkurse und Finanzen eine andere Sprache sprechen: Es steht nicht gut um das Ansehen der großen Konzerne, die unser digitales Leben maßgeblich geformt haben und es nach wie vor dominieren. Beim Atlantic hat man kurz und übersichtlich zusammengefasst, aus welchen Richtungen die Kritik eigentlich kommt und warum.

„After disrupting so many industries and having created so many enemies in consolidating control of the internet, it’s going to be difficult for tech companies to find friends.“

The Coalition Out to Kill Tech as We Know It

madonna

Foto: Universal

Madonna

Wie läuft es eigentlich bei Madonna so? Die 60-Jährige ist schließlich immer noch irgendwie der größte weibliche Popstar, auch wenn sie jüngst hauptsächlich über vergeigte Live-Performances und nachträglich auf Youtube korrigierte Fehltöne auf sich aufmerksam machte und Rihanna sie just vom Thron der reichsten Musikerin (600 vs. 570 Mio. USD) stieß. Dieser Longread ist alles zugleich: Rückblick in die New Yorker Anfänge, Abklopfen der aktuellen Befindlichkeit, Verortung der Ikone als Third-Wave-Feministin und irgendwie auch unverhülltes Fantum. Wie Madonna es schafft, sich vom Feedstream abzuschotten und ihn gleichzeitig mit perfekten Bildinszenierungen zu bedienen, wie sie es schafft, alleinerziehend sechs Kinder großzuziehen und in einer Popwelt, deren Protagonisten ihre eigenen Kinder und Enkelkinder sein könnten, immer noch zu bestehen. Es geht um Religiosität, Spiritualität, Kunst und natürlich Madame X, ihr neues, 14. Studioalbum.

She added, “I preferred life before phone.”

Madonna at Sixty

Systembedingte Selbsterhaltung

Neoliberalismus entzieht sich der Möglichkeit einer Revolution. Kein Schuldiger lässt sich benennen, geschweige denn bekämpfen – und das ist systembedingt, so die These von Byung-Chul Han. Doch nicht nur fehlt den Unterdrückten ein potenziell zu bekämpfender Unterdrücker. Das System macht aus Arbeitern Unternehmer, die ihre eigenen Ressourcen möglichst effizient bzw. gewinnbringend investieren sollen. Und nebenbei arbeitet eine Sharing-Economy samt ihrer User-Bewertungen noch daran, das Teilen und die Freundlichkeit des Einzelnen zu kapitalisieren. Dieser Text von 2014 darf gerne heute noch gelesen werden.

„Man kann den Neoliberalismus nicht marxistisch erklären. In ihm findet nicht einmal die berühmte "Entfremdung" von der Arbeit statt. Heute stürzen wir uns mit Euphorie in die Arbeit bis zum Burn-out. Die erste Stufe des Burn-out-Syndroms ist eben die Euphorie. Burn-out und Revolution schließen sich aus.“

Warum heute keine Revolution möglich ist

Wochenend-WalkmanDiesmal mit M. Grig, Moneybagg Yo und Avicii

Mix der Woche: Robag WruhmeFreundlichst aus Weimar