Kryptowährung BitcoinWas kann sie, was will sie - und warum überhaupt?

Bitcoin Headerbild

Bild via Flickr (CC0)

Wie findet eine Münze aus Nullen und Einsen den Weg in den eigenen Geldbeutel und was lässt sich damit anstellen? Ist Bitcoin tatsächlich die Zukunft, vielleicht sogar schon ein bisschen Gegenwart - oder doch nur die nerdige Utopie einer entmachteten Bankenwelt? Seit einiger Zeit dominiert das Thema die Diskussion um die Zukunft des Gelds. So wirklich verstanden, uns eingeschlossen, haben es wohl noch immer die wenigsten. Aber, die Hoffnung stirbt zuletzt und Aufgeben ist was für Schwachköpfe, also haben wir den Bitcoin-Spezialisten Brian Fabian Crain zum aufklärenden Gespräch gebeten.

Was ist Bitcoin überhaupt? Wohl die offensichtlichste Einstiegsfrage, aber unabdingbar für den eigenen Durchblick in Sachen Kryptowährung. „Bitcoin ist eine Währung, aber auch ein Peer-2-Peer-Netzwerk und eine Open-Source-Technologie“, erklärt Brian Fabian Crain. Damit tritt schon die erste Schwierigkeit zutage, mit der Bitcoin auf dem Weg zum globalen Zahlungsmittel zu kämpfen hat. Denn wie kann diese Dreifaltigkeit des Bitcoin überhaupt verständlich kommuniziert werden? Brian Fabian Crain ist eine der Personen, die genau diese Kommunikation übernimmt.

Wir treffen ihn in der Bar „Le Labo“ am Eingang eines Coworking Space in Berlin-Mitte, von wo aus der „Lobbyist aus freien Stücken“ seiner Arbeit nachgeht: „Da laufen verschiedene Projekte von und mit unterschiedlichen Start-ups - wie das so ist in einem Coworking Space. Ich organisiere regelmäßige Meetups und mache auch einen Podcast zum Thema Bitcoin. Aber für die Sachen, die Bitcoin betreffen, werde ich nicht bezahlt, und wurde auch nicht offiziell autorisiert.“ Warum dann die Arbeit? „Ich interessiere mich stark dafür, ich glaube in Bitcoin steckt ein enormes Potenzial.“

Brian Fabian Crain

„Ich glaube an das enorme Potenzial von Bitcoin“, ist sich Brian Fabian Crain sicher.

##Cut out the Middleman
Wenn ein junger Mensch so viel unbezahlte Arbeit in ein Projekt steckt, muss er wirklich dran glauben. Zeit herauszufinden, was dahinter steckt. Dröseln wir also nochmal auf: Währung, Netzwerk, Open Source. „Es gibt einen kleinen Trick, mit dem man auseinanderhalten kann, worum es gerade geht: Wenn bitcoin kleingeschrieben wird, spricht man von der Währung, bei Großschreibung geht es meist um die Technologie - zumindest im Englischen,“ erklärt Brian. Lesson One, check. „Das eigentlich Interessante ist aber die Dezentralisierung der Währung. Es gibt keinen Staat, keine Bank, keine Organisation, die die Währung kontrolliert. Wenn ich dir Bitcoins gebe, ist das vergleichbar mit der Übergabe von Bargeld.“ Aber ist eine Währung, die keiner Kontrolle unterliegt, nicht prädestiniert für illegale Aktivitäten: Geldwäsche, Drogen im Darknet bezahlen? Ein Mythos, erklärt Brian: „Wenn du Geld waschen möchtest, hast du Bargeld, dass du in sauberes Geld umwandeln willst. Aber da ist Bitcoin nicht unbedingt hilfreich, denn Bitcoin-Börsen wie bitcoin.de werden auch von der Bafin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) reguliert. Größere Mengen fallen einfach auf. Mit kleinen Beträgen lässt sich zwar was machen, aber solche Beträge lassen sich auch auf tausend anderen Wegen waschen.“

Voll und ganz kann sich der Bitcoin-Handel der staatlichen Kontrolle also doch nicht entziehen. Brian sieht darin auch eher einen großen Vorteil und führt WikiLeaks als Beispiel an: „Nachdem Paypal und Visa keine Spenden mehr an Wikileaks weiterleiten wollten, obwohl es keine rechtliche Grundlage dafür gab, wurden Bitcoin-Spenden zur Haupteinnahmequelle. Die kann niemand unterbinden, eine Überweisung geschieht innerhalb von Sekunden, direkt von einem zum anderen.“ Was hier auf Wikileaks zutrifft, gilt folglich ebenso für russische Olligarchen, deren Konten eingefroren wurden. Oder den IS. Ganz kann man das kriminelle Potenzial also nicht verneinen, dennoch ist Bitcoin nur eine weitere Ausprägung eines typischen Phänomens unserer zunehmend digitalisierten Welt: „Cut out the Middleman“. Der Dienstleister in der Mitte entfällt, Gebrauchtwagenhändler, Musikverlage und Immobilienmakler können bereits ein Lied davon singen, demnächst stimmen also auch die Bänker in den Chor ein?

##Hands-on Bitcoin
Das ist vor allem auch eine Frage der Nutzerfreundlichkeit, der Verzicht auf zusätzliche Dienstleister wird erst bei einfacher Handhabung möglich. Wie kann ich meine Bitcoins denn verwalten, verschicken - ja wo liegen sie überhaupt? „Dazu nutzt du ein Wallet, wir können dir eins einrichten, wenn du willst,“ Brian ist ganz in seinem Element. Laptop auf, WLAN an, auf in die Bitcoin-Welt. Hive nennt sich das Wallet, das er vorschlägt. Gibt es auch als Web-App, muss nicht einmal installiert werden. Nutzername und Passwort wird gewählt, das Wallet spuckt eine Liste von Wörtern aus. „Dieser Schlüssel ist dein Backup, den solltest du notieren und sicher ablegen, denn damit kannst du dein Wallet wiederherstellen, wenn du mal deine Logindaten vergessen hast oder dein Laptop geklaut wurde.“ Brian hat ein paar Bitcoins auf seinem Konto, die er mir schicken will, bzw. einen Bruchteil davon, denn ein Bitcoin ist derzeit gut 300€ wert. Also auf „Empfangen“ geklickt und ihm die daraufhin erscheinende Adresse mitgeteilt. Zehn Sekunden später erscheint ein Wert im Hive-Wallet: 0,005BTC, zirka 1,50€. Ging ziemlich einfach. Aber wo befindet sich das Geld denn jetzt?

„Überall und nirgendwo“, grinst Brian. „Es spielt keine Rolle, wo das Geld liegt, es geht um Private Keys und Public Keys. Die Adresse, an die ich das Geld geschickt habe, ist dein Public Key. Dein Login ist dein Private Key. Wenn du das Geld nutzen bzw. senden willst, brauchst du ebenfalls eine Zieladresse in Form eines Public Keys und deinen Private Key. Damit hast du die Kontrolle, deshalb ist es deins und das ist entscheidend.“ Prinzipiell ist also der Public Key meine Kontonummer, der Private Key Online-Banking-Login und TAN in einem. Ich habe jetzt also die Kontrolle über 0,005BTC im Wert von 1,50€. Verdammt viele Nachkommastellen für einen üblichen Betrag. „Ja das ist tatsächlich ein bisschen mühsam. Man spricht daher auch von Milli-Bitcoin. Man versucht das begrifflich zu vereinfachen, aber da es ja keine Kontrollinstanz gibt, gibt es auch niemanden, der das endgültig festlegen kann. Diese Nachkommastellen kommen durch die Wertsteigerung der Währung in den letzten Jahren zustande“, so Brian.

Bitcoin Wallet

Das Hive-Wallet von Filter-Autor Benedikt Bentler. Überweisungen erwünscht.

Um das zu verstehen, muss man auf das Währungssystem Bitcoin blicken, auf das Netzwerkprotokoll, das die Bitcoins erstellt: Die Menge der Bitcoins ist von Beginn an festgelegt, in den ersten vier Jahren wurden 10.500.000 BTC (so die „offizielle“ Kurschreibweise), ausgeschüttet, alle vier Jahre wird die Anzahl halbiert, sodass man am Ende auf nicht ganz 21 Millionen BTC kommt. Mehr wird es nicht geben, das ist durch das Protokoll festgelegt. Tatsächlich verringert sich die Anzahl der Bitcoins im Umlauf sogar: Verliert jemand den Zugang zu seinem Wallet, zum Beispiel weil der Private Key verlegt wurde und es kein Backup gibt, sind die Bitcoins faktisch zerstört - es gibt keine Kontrolle mehr über sie. So kam es zum Beispiel zum Verlust von 850.000 Bitcoins, als einer der größten Marktplätze Mt. Gox Ende Februar Insolvenz anmeldete. Was genau da passiert ist, ist aber immer noch nicht klar, berichtet Brian: „Wahrscheinlich wurden viele Bitcoins gestohlen, allerdings weiß das keiner so genau.“ Wie konnte es dazu kommen? „Als Bitcoin gestartet ist, war die Währung vor allem ein großer Spaß, ohne dass nennenswerte Geldmengen dahinter gesteckt haben. Dann sind die Marktplätze entstanden, die aber in Sachen Sicherheit gar nicht dafür ausgelegt waren, Millionenwerte zu halten und zu verwalten - diese Beträge kamen ja erst mit der Zeit durch die Kurssteigerung zustande.“

„Wer heutzutage einen Marktplatz für Bitcoins schaffen will, muss hohe Sicherheitsstandards einhalten. Mt. Gox wurde vielleicht gehackt oder ausgeraubt, vielleicht sogar von den Betreibern selbst. Das weiß man nicht. Einige Bitcoins sind wieder aufgetaucht, zerstört wurden sie also nicht - zumindest nicht alle.“ Es ist nämlich so: Bitcoins können durch Verlust der Keys zwar zerstört werden, im Falle eines Diebstahls werden die Bitcoins aber wieder sichtbar, sobald sie bewegt werden. Jede Transaktion erfolgt über das Bitcoin-Netzwerk, jede Transaktion eines Bitcoin wird im Protokoll des Netzwerkes festgehalten und lässt sich bis zum Beginn zurückverfolgen. Zwar wirken sich Diebstähle und Unsicherheiten negativ auf den Kurs der Bitcoins aus, aber: Solange weiterhin Vertrauen in die Kryptowährung und somit Nachfrage besteht, wird der Kurs weiter steigen, die Verknappung durch Verlust befeuert diese Entwicklung sogar. Aber Bitcoin soll doch mehr sein, als Anlage- und Spekulationsobjekt, oder?

Bitcoin in aller Kürze erklärt.

##Bitcoin: effizientes Zahlungsmittel, globale Alternativwährung
„Zum einen ist Bitcoin ein effizienteres Zahlungssystem. Wenn du hier in der Bar zum Beispiel mit Kreditkarte bezahlst, muss der Inhaber eine Gebühr von zirka drei Prozent dafür zahlen. Der Transfer von meinem Wallet in dein Wallet kostet weniger als einen Eurocent und ist unabhängig von der Höhe des gesendeten Betrags. Der Transfer dauert auch nur wenige Sekunden - ganz egal ob unsere Laptops hier auf einem Tisch stehen oder du dich in Nigeria befindest. Außerdem haben viele Menschen keine Möglichkeit ein Konto einzurichten, besitzen aber ein Smartphone und könnten somit Bitcoins erhalten. Für den Umtausch wird natürlich eine Infrastruktur benötigt, die so noch nicht vorhanden, aber auf dem Weg ist. Das Ziel ist eine globale Alternativwährung.“ Doch ganz so einfach ist das nicht, ein Zahlungssystem zu etablieren. Wir erleben es gerade am Beispiel NFC (Near Field Communication), der Technik für kontaktloses Bezahlen. Seit Jahren wird sie in Handys verbaut, nur genutzt werden kann sie bis jetzt sehr selten. Die Integration der Technik in vorhandene Zahlungssysteme, die Schaffung von Schnittstellen, ist die Schwierigkeit, mit der auch Bitcoin zu kämpfen hat. Für eine Integration wäre man wieder auf zusätzliche Dienstleister angewiesen. Einer dieser Dienstleister ist Bitpay, der Unternehmen ermöglicht, auch Bitcoins zu akzeptieren: Der Kunde zahlt in Bitcoin, der Betrag geht an Bitpay, die zahlen den Betrag wiederum in Euro an das Unternehmen aus. Jedoch werden dann wieder Gebühren fällig, die allerdings immer noch deutlich unter denen eines Kreditkartenzahlungssystems liegen.

Cannabis Coin

Cannabis Coin: Die grüne Alternative zu bitcoin

##Ein weiter Weg
Bitcoin hat es schwer: Zum Beispiel wird für den Handel von Bitcoins in Deutschland eine Umsatzsteuer fällig, was wenig sinnvoll ist. Es gibt aber noch keine Kategorie für Kryptowährungen, die fallen somit unter „sonstige Leistungen“ und werden besteuert. Großbritannien hingegen besteuert nicht, einheitliche Regelungen wären hier dringend vonnöten, denn der Vorteil der Kryptowährung liegt ja gerade in der Unabhängigkeit von Ländergrenzen: So wäre es Millionen von Menschen möglich, Geld an die Familien in der Heimat zu schicken, ohne es mit Western Union teilen zu müssen, die Überweisung könnte man sich durch Übersenden des Private Keys sogar komplett sparen. Unternehmen könnten Produkte und Dienstleistungen weltweit anbieten, ohne überall andere Währungen nutzen zu müssen, ohne Transaktionskosten. Und wenn dann noch überall Bitcoin akzeptiert würde, sodass ein Umtausch in Euro, Dollar, Yen gar nicht mehr nötig wäre, ja dann könnten wir uns tatsächlich aussuchen, ob wir Bankkunde sein möchten oder nicht und wären der Utopie einer entmachteten Bankenwelt ein Stückchen näher gerrückt.

Da es sich bei Bitcoin um eine Open-Source-Technologie handelt, kann prinzipiell jeder eine solche Währung erstellen. Tatsächlich gibt es auch schon mehrere Hundert. Zu den bekanntesten gehört zum Beispiel Titcoin, die Kryptowährung der Erwachsenenindustrie, dank der sich das Schwarzgeld am Finanzamt vorbei in Pornos investieren lässt - wie praktisch. Kommt es zu Konkurrenz unter den Währungen, ist eine Inflation nicht auszuschließen. Doch Brian gibt sich optimistisch: „Ich glaube Kryptowährungen sind die Zukunft, da bin ich mir zu 80-90 Prozent sicher. Ob es Bitcoin wird? Ich schätze schon, Bitcoin hat einen riesigen Vorsprung gegenüber anderen Kryptowährungen, aber mit Sicherheit lässt sich das nicht sagen.“ Let’s see. Mit den Bitcoins im Wert von 1,50€ geht’s jetzt zum Restaurant Room 77 in der Graefestraße in Berlin-Kreuzberg, der ersten Lokalität weltweit, die Bitcoins akzeptiert. Vielleicht reicht’s für einen Espresso?

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