It’s all about Dämpfung!Det Moews weist euch in die Geheimnisse des E-Gitarrenbaus ein

Det Mews Heder Full

Bob Dylan, PJ Harvey, Jimmy Page, Keith Richards, Joe Strummer - sie alle haben mit der Fender Telecaster den Weg ihrer Karriere geebnet. Auch Detlev „Det“ Moews liebt diese Gitarre - nicht zuletzt aufgrund ihrer praktischen Bauform. Der kompakte Korpus lässt sich nämlich im handelsüblichen Backofen trocknen. Eine erhebliche Erleichterung, wenn man als Jugendlicher auf die Idee kommt, sich eine eigene zu bauen und daraus schließlich ein Job wird. Redakteur Benedikt Bentler hat den Macher von moews Guitars getroffen, um über die Geheimnisse des E-Gitarrenbaus, DIY-Werkzeuge und den Konservatismus der Gitarrenspieler zu sprechen.

Lass mich raten: Du hast gelernt Gitarre zu spielen, irgendwann ist das Ding kaputt gegangen und du hast sich daran gemacht, die Gitarre zu reparieren.

Ich sag mal so: Vor 40 Jahren gab es noch kein Internet. Mal eben googeln, wo du deine Gitarre hinbringen kannst, war nicht drin, Erklär-Video angucken auch nicht. Da musste man einfach viel selbst machen. Das war aber auch das Gute daran, denn heutzutage neigt man auch dazu, einfach mal schnell YouTube zu checken. Dabei werden ja auch Fehler schnell weitergegeben, Erkenntnisse, die eigentlich gar keine sind. Vor 40 Jahren musste ich mir das alles selbst beibringen, ausprobieren. Man sieht eine Fender aus den 60ern oder 70ern und denkt: Äh, klingt die scheiße. Dann nimmt man vielleicht ein anderes, günstigeres und weniger gehyptes Instrument und denkt: Wow, klingt geil. Dann überlegt man sich, woran das eigentlich liegt und stellt fest, dass es ganz andere Zusammenhänge innerhalb der Gitarre gibt, als gedacht. Und nach ewigem Basteln kommt dann der Punkt, an dem du denkst: Ok, es muss eine Grunderneuerung her. So kam ich dann zum Gitarrenbau. Ich musste mir meine Werkzeuge selbst bauen, alles war sehr spartanisch. Dadurch ist aber ein Know-how entstanden, dass es uns heute ermöglicht, Dinge ganz anders zu beurteilen und umzusetzen, als das allgemeiner Konsens ist. Nur deshalb haben wir überhaupt Erfolg hier. Ich habe dann zunächst die Gitarren von Freunden repariert, gemoddet, umgebaut. Irgendwann bin ich dann nach Bielefeld gezogen und dachte, jetzt ist Ruhe. Aber war nicht so. Stattdessen saßen irgendwann zehn Amis auf meinem Sofa und haben auf ihre Gitarren gewartet (lacht).

Sind Musiker nicht stressige Kunden?

Manchmal. Da ruft dann der Tourmanager von der Autobahn an und sagt: „Ey, hast du noch Kapazitäten? Wir spielen heute in Bielefeld, wir brauchen nochmal Support für die Gitarren.“ Ich hatte mal einen Autisten hier, Amerikaner, darf aber nicht sagen von welcher Band. Am nächsten Tag rief mich der Tourmanager an, um sich zu entschuldigen: „Da hab ich dir ja was eingebrockt.“ Ich: „Wieso?“ Er: „Der gibt seine Gitarre eigentlich nicht aus den Händen, der Mann ist ein bisschen schwierig, was das angeht.“ Dann meinte ich: „Nee gar nicht, der ist am nächsten Tag nochmal vorbeigekommen.“ Das fand ich gut. Er saß eben die ganze Zeit daneben, seine Gitarre hat er tatsächlich nicht abgegeben (lacht).

Was ist denn das Geheimnis des E-Gitarrenbaus?

Ich finde, dass das Holz, was man früher genommen hat, Esche oder Erle, gar nicht unbedingt das beste ist. Wir probieren aus, wir entscheiden individuell und experimentieren. Kernpunkt bei unserer Arbeit: Wir stimmen Hals und Body aufeinander ab. Ich sehe die E-Gitarre gar nicht als Instrument. Man konnte früher ja schon Zupfinstrumentenbauer lernen. Der beschäftigt sich mit Luft und Schallwellen: Es geht um die Saite als Schwinger. Die Schwingung dieser Saite soll zu Schall werden. Du hast dazu die Brücke, die die Schwingung auf die Decke bringt. Der Körper dient mit dem Boden als Resonanzkörper, dann soll das Ganze als Luft bzw. Schallwelle raustransportiert werden. Bei der E-Gitarre ist das aber nicht so. Die E-Gitarre hat einen magnetischen Tonabnehmer, sie funktioniert ja nicht mit einer Plastiksaite. Theoretisch soll die Saite einer E-Gitarre unendlich lange schwingen, nichts soll ihre Schwingung absorbieren. Wir sorgen dafür, dass die Schwingung zum Beispiel nicht in den Körper abfließt, es geht um Minimierung der Resonanz. Letztendlich hab ich mich 40 Jahre mit Dämpfung beschäftigt (lacht). Bei ganz vielen E-Gitarren wird da gar nicht drauf geachtet, es wird viel zu viel mit dem akustischen Instrument durcheinandergebracht.

Gitarre Body
Gitarre Hals

Und wenn ich jetzt eine E-Gitarre kaufe, ein Einsteigergerät - eine günstige Ibanez zum Beispiel - passt der Hals dann nicht zum Körper?

Tatsächlich passen Hals und Körper nicht unbedingt tonal zusammen. Ibanez muss ich allerdings ein bisschen in Schutz nehmen. Wir und Ibanez haben nämlich was gemeinsam: Die haben damals in den 80ern, genau wie ich, sehr viel ausprobiert, dabei viel gelernt und dieses Wissen auch direkt genutzt. Ibanez ist nicht schlecht, aber wir machen das natürlich trotzdem besser (lacht).

Wie funktioniert das technisch? Du bekommst eine Gitarre, die nicht gut klingt. Was genau machst du dann damit?

Oft funktionieren viele Sachen nicht. Wenn der Körper zu starke, dämpfende Eigenschaften hat, dann können wir den vom Hals entkoppeln. Wir gucken uns die beiden Auflager an, die Brücke und den Sattel. Wir gucken auf den Saitenverlauf, den Einsatz der Bünde. Vielleicht sind die lose und müssen verklebt werden. Es gibt unzählige Sachen, die man machen kann, um eine Gitarre gut klingen zu lassen. Und nicht zuletzt ist da noch die Elektronik. Gerade hier kann man viele individuelle Dinge einstellen und das Instrument auf seinen Besitzer abstimmen. Arbeitet er viel mit dem Volume-Regler? Nutzt er Bendings, müssen sich die Saiten gut ziehen lassen. Nutzt er Palm Mute oder möchte er den Handballen gut auflegen können?

Gitarrenteile

„Ich werde mit 80 noch Gitarren bauen und es wird immer noch nicht perfekt sein.“

Ist das eine rein praktische Arbeit oder machst du dir erstmal einen Plan?

Ja, immer. Man hat das ausgefräste Holz, den Body, der unter Umständen zu schwer für den Hals ist. Dann machen wir zum Beispiel Kammern rein - das geht nicht frei Schnauze. Der Body wird erhitzt, quasi getoastet. Man kann das Holz auch wässern. Diese Prozesse finden statt, damit der Body das perfekte Gewicht hat. Es kommt auch auf den Kunden an: Will er keine lackierte Oberfläche oder soll die Gitarre durchsichtig sein? Dann überlegt man natürlich zunächst, wie die perfekte Lösung aussehen könnte. Im industriellen Betrieb ist sowas nicht möglich. Da überlegt sich ja niemand: Oh, der Body ist perfekt, nur die Maserung ist nicht so dolle für eine durchsichtige Lackierung. Wir hingegen gucken in einem solchen Fall nach einem schöneren Body. Für die Brücke haben wir auch eigene Edelstahlreiter fertigen lassen und sogar mit Glockenmessing experimentiert und die Sound-Unterschiede überprüft. Wir lassen auch Tonabnehmer wickeln und prüfen, wie sich dadurch der Sound verändert.

Wann weißt du überhaupt, dass du an dem Punkt bist, an dem eine Gitarre perfekt klingt? Fühlst du das einfach?

Das ist ein bisschen wie beim Bild eines Künstlers. Man kann theoretisch immer weiter machen. Manchmal will ich die Gitarre dann gar nicht mehr verkaufen (lacht). Dann kommen die Leute zum vierten Mal in den Laden und sagen: „Jetzt will ich aber eine Gitarre mitnehmen.“ Ich sag: „Warte noch, ich bastel noch ein bisschen, da geht noch was (lacht).“ Vor allem wenn ich höre, wie eine andere Person die Gitarre spielt, denke ich oft: Ach hier könnte noch und da geht noch was. Ich glaube, ich werde mit 80 noch Gitarren bauen und es wird immer noch nicht perfekt sein.

Aus wie vielen Teilen besteht eigentlich so eine E-Gitarre?

Puh, keine Ahnung. Kann ich dir gar nicht sagen. Ich würde durchdrehen, wenn ich da ernsthaft drüber nachdenken müsste. Ich sehe ja mehrere Teile dort, wo andere nur ein Teil sehen. Ich werde mich da mal informieren (lacht). Allein die Mechanik besteht ja aus gefühlt unendlich vielen Teilen.

Werkzeug Gitarrenbauer

Wofür brauchst du denn die ganzen Werkzeuge hier, was ist das alles?

Tollerweise hat jeder Hersteller eigene Größen, eigene Maße, eigene Schrauben. Die Amis haben Inch, du brauchst also ganz andere Schlüssel. Dann haben wir verschiedene Inbusschlüssel, weil die Engländer auch wieder andere Maße und Steigungen haben. Viele Werkzeuge haben wir selbst entwickelt, denn irgendwann merkst du, dass es die perfekte Lösung einfach noch nicht gibt. Hier, das kennst vielleicht von der Gibson: hinten für's Tailpiece, damit du keine Kratzer machst. Das hier ist auch geil: Damit kann ich die Drehknöpfe vernünftig abziehen, ohne an der Gitarre herumzufrickeln. Du brauchst unterschiedliche Polituren für unterschiedliche Lacke. Ersatzschrauben sind ein Riesenthema: Zieh dir das rein hier, Schränke über Schränke voller Schrauben.

Det Moes Geraete
Effekte Gitarre

„Es ist zum Beispiel völliger Quatsch, heute noch ein drei oder sechs Meter langes Kabel an der Gitarre zu haben. Hat dein Telefon ja auch nicht.“

Da wünscht man sich Normen. Verändert sich der Beruf eigentlich?

Wir sind jetzt tatsächlich dabei, eine eigene Form zu entwickeln. Bisher machen wir ja vor allem klassische Formen, weil viele Kunden so sehr darauf geeicht sind. Ich glaube aber die Zeit ist nach 60 Jahren reif für eine neue Form. Die Leute sollen mal was anderes sehen. Und ehrlich gesagt: Ich kann es auch nicht mehr sehen. Wir telefonieren ja auch nicht mehr mit Kabel. Wir sind da schon eine ganze Weile dran, haben jetzt eine neue Form im Kopf und auch schon die ersten Prototypen, die wir in diesem Jahr beim Holy Grail in Berlin vorstellen wollen.

Wie wird die neue Form aussehen?

Sie ist der Telecaster nicht unähnlich. Man darf das ja nicht sagen, weil Fender sonst böse wird. Obwohl Leo Fender ja tot ist. Der hätte wahrscheinlich gesagt: Find ich geil, mach weiter Junge (lacht). Der hat ja auch mit den Sachen gearbeitet, die ihm zu Verfügung standen. Das ist auch meine Philosophie. Wir werden allerdings eine moderne Elektronik verbauen - modular aufgebaut. Sodass man die Gitarre schneller dem persönlichen Geschmack anpassen kann. Gestern Nacht kam mir wieder eine Brücke bzw. die perfekte Brückenlösung in den Kopf, für einen besseren Saitenverlauf. Viele Dinge beim E-Gitarrenbau sind einfach mittlerweile 60 Jahre alt und werden seitdem genau so gemacht. Ist doch blöd. Da kann man doch was besser machen. Es ist zum Beispiel völliger Quatsch, heute noch ein drei oder sechs Meter langes Kabel an der Gitarre zu haben. Hat dein Telefon ja auch nicht. Aber die Leute sind eben konservativ, die wollen lieber stolpern. Die Proberäume verändern sich ja auch. Man kommt anders zusammen. Man trifft sich nicht mehr im stinkigen Keller, sondern setzt sich in die Küche und macht irgendwie Musik.

Vielleicht wird ja auch die Rockmusik wieder interessant, wenn die E-Gitarre ein neues Gewand bekommt.

Das wäre was, ne (lacht)? Die Leute sind echt zu konservativ. Das nervt mich auch. Da werden Licks und harmonische Abläufe genutzt, die einfach uralt sind: Das ist doch lächerlich. Der Ben, der hier auch arbeitet, der nutzt zum Beispiel richtig viele Effekte. Inzwischen arbeiten manche ja auch mehr mit Klangwänden, mit Sound. Es ist spannend, wenn die E-Gitarre auch mal anders eingesetzt wird. Aber ja: Da muss was passieren. Denn selbst junge Leute wollen unbedingt eine namhafte Blabla-Gitarre von Anno Schlagmichtot. Ist doch Quatsch. Der Typ von Muse, der hat zum Beispiel eine echt verrückte E-Gitarre. Wir haben uns auch mal mit dem Menschen, der die gebaut hat, zusammengesetzt. Da ist dann nichts draus geworden, der hatte das auch nur einmalig gemacht. Eigentlich müsste man ja auch mal neue Werkstoffe ausprobieren. Warum immer Holz? Hagstrom hat glaube ich mal mit neuem Material gearbeitet. Man könnte ja mal was mit Metall machen, das gefällt mir auch. Aber dann wird das Ding so schwer (lacht). In den 80ern war man in dieser Hinsicht übrigens viel mutiger. Man hat mit unterschiedlichen Lacken gearbeitet, Bildchen draufgemalt, immerhin. Heute sind die Leute total rückwärtsgewandt. Aber ich kämpfe dagegen, ich bemühe mich. Ich versprech's dir (lacht).

Gitarre Front

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