Wochenend-WalkmanDiesmal mit Yaeji, Christoph de Babalon & Mark und Daniel Avery & Alessandro Cortini

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: mit Yaeji, Christoph de Babalon & Mark und Daniel Avery & Alessandro Cortini.

Yaeji What we drew cover

Yaeji – What We Drew 우리가 그려왔던

Ji-Hun: Die koreanische Künstlerin Yaeji wurde in New York geboren, lebt aber seit ihrem sechsten Lebensjahr in Südkorea und kam im letzten Jahrzehnt für einige Jahre wieder in die USA, um in Pittsburgh zu studieren. Diese Sozialisation hört man dem schon oft gehypten Underground-Superpopstar an. Der versessene, harmonische Perfektionswille des K-Pop trifft auf dem Impetus des Bedroom-Producer, der lieber in Eigenregie vom Sound bis zum Video alles selber produziert, statt sich gierigen und manipulativen K-Pop-/ oder anderen Mainstream-Maschinerien unterzuordnen. Yaeji schafft auf ihrem aktuellen Album/Mixtape „What We Drew 우리가 그려왔던“ den heute sehr oft gefragten Club im Kopf. Wo sollen die Beats auch hin, wenn man sie nicht in Clubs, Partys oder Bars rezipieren kann. Es ist wie der umgefallene Baum, den niemand hört. Yaeji macht derzeit vieles richtig. Die Zusammenarbeit mit XL Recordings scheint eine schlüssige Paarung. Die Tracks sind weitestgehend beatbasierte Songs, die aber eben den großen Dancefloor und die laute Anlage gar nicht unbedingt brauchen. Yaeji croont subtil, die durchdachten Chordmodulationen schaffen Strukturen und Gerüste, die ohne große Architektur auskommen. Viele fragen, wie wird Clubmusik aussehen, wenn das Ausgehen vielleicht nie mehr so sein wird wie zuvor. Ich hätte da vielleicht eine Idee.

Christoph de Babalon Mark Walkman Cover

Christoph de Babalon & Mark – Split

Benedikt: Knietief watet Mark seit einigen Jahren durch Breakbeat-Traditionen und verhilft den verblassenden Hinterlassenschaften von Drum and Bass mit zeitgemäßer Politur zu neuem Glanz. Das klingt großartig – ob als Mix oder EP, ob auf Unterton oder dem australischen Label A Colourful Storm. Für letzteres hat sich der Einradhockey spielende Unbekannte nun mit Christoph de Babalon, dem nimmermüde werdenden Veteran ebenjener musikalischen Klasse zusammengetan, was natürlich total naheliegt, obgleich Generationen-vereinende Zusammenarbeiten dieser Art dann doch wieder recht selten sind. Vielleicht weil die vielversprechende Idee in der praktischen Umsetzung zu oft für beiderseitige Enttäuschung sorgt, zumal dabei nicht nur Künstler, sondern letztlich auch Hörer irgendwie zusammenfinden müssen. Kein Problem bei diesen beiden. Der bei beiden jeweils ausgeprägte Sinn für komplexe Rhythmen wird scheinbar mühelos potenziert, bleibt dabei aber erstaunlich stressfrei. Zumal Mark mit seinem kurzem, vordergründig schlichten „Duet For Melodica And Claves“ für völlige Entschleunigung sorgt, bevor er mit dem letzten – einfach nur grandiosen – Stück den Kreis wieder schließt und ganz plötzlich wieder dort steht, wo diese Platte eben noch begonnen hat. Weniger Endpunkt, als vielmehr perfekter Ausgangspunkt für eine zweite Runde.

Daniel Avery. Alessandro Cortini Illusion Of Time Artwork

Daniel Avery + Alessandro Cortini – Illusion Of Time

Thaddeus: Es war mir bislang entgangen, dass Avery und Cortini gemeinsam Musik machen. Ersteren hatte ich vollkommen vom Radar verloren – aus meinen Zeiten beim Radio erinnere ich ihn als unterhaltsamen Rave-Spatz, mit Tracks, die gut funktionieren, aber nicht sonderlich haften bleiben. Auch mit der Musik von Cortini habe ich mich nie wirklich auseinandergesetzt. Klar, er spielt bei Nine Inch Nails – was er solo macht, beobachtete ich jedoch eher aus den Augenwinkeln. Es gibt offenbar bei beiden viel aufzuholen. Ihr Album überrascht (mich) mit einer auf den Punkt austarierten Klangwelt aus schwebenden Synths, viel modularem Rauschen und meist nur angedeutetem Geräusch. Eine fast schon klassische Synthesizer-Platte, die manchmal klingt, als wäre sie in den Anfangstagen der in Kirschholz verpackten VCOs, Filter und VCAs entstanden, damals jedoch so nie hätte passieren können. Die träumerischen Klangwände der shoegazenden Popkultur waren schlicht noch nicht erfunden. Es musste wohl 20+ Jahre dauern, bis alle diese Dinge kongenial zusammenfließen können. Die beiden Musiker sind nicht die ersten, die sich auf diese Weise ihre ganz eigene Welt bauen. „Illusion Of Time“ ist aber eines der besten Beispiele dafür, wie es funktionieren kann.

Filter Tapes 039„Dark River“ von DJ Dash

Leseliste 05. April 2020 – andere Medien, andere ThemenNews-Abstinenz, Dorf-Quarantäne, Inländerhass, Atomwaffen