Wochenend-WalkmanDiesmal mit Christoph De Babalon, Kinderzimmer Productions und Pantha Du Prince

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute hören wir Christoph de Babalon, Kinderzimmer Productions und Pantha Du Prince.

Christoph de Babalon -If youre into it artwork

Christoph De Babalon – If You’re Into It I’m Out of It

Thaddeus: Um die Tragweite dieses Albums ein wenig beherrschbarer zu machen – für alle, die 1997 nicht dabei waren und den Wahnsinn in Echtzeit im eigenen Ohr erfahren haben – fangen wir mal mit einer Plattitüde an: Es gibt wohl keinen besseren Zeitpunkt diese Platte zu hören, als den grauen Januar – mit seinem fiesen Nieselregen, der die Realität vor den Brillengläsern leicht grobkörnig erscheinen lässt, und der so gar nicht zu den unwirtlich warmen Temperaturen passen will. Die Welt, sie geht unter, gleich hier auf der Kreuzung, hinter den nur langsam aufsteigenden Dieselschwaden. De Babalon veröffentlichte dieses Album vor 21 Jahren auf DHR, dem Label von Alec Empire und begründete damit die wichtige Achse Berlin-Hamburg zwischen Kreuzberger Kellern, Abrisshäusern auf der Köpenicker Str., den Kotzelachen vor der Roten Flora und eben Labeln wie DHR, Fischkopf und Cross Fade Enter Tainment (CFET). Damals war die Definition von Breakbeat der Protagonisten dieser Szene als eine Mischung aus blankem Terror, maßloser Übertreibung und charikierendem Quatsch definiert. De Babalon entwarf dazu an seinem Amiga eine elegante Antithese, die nicht weniger dringlich war, dafür aber umso nachhaltiger. Das zeigt sich heute, 2018, wenn das Album erstmals seit der ursprünglichen Veröffentlichung neu veröffentlicht wird. Denn das Vinyl von damals ist schwer bis gar nicht zu bekommen und echte Riot Boys stecken Spotify natürlich keine zehn Euro in den kapitalistischen Rachen. „If You’re Into It I’m Out of It“ ist eine wichtige Platte – nicht nur wegen des sensationell brillanten Titels. Die Tracks beschreiben eine Dunkelheit, die die Welt damals mehr als angemessen abbildete und heute aktueller denn je scheint. Und mittendrin ein Jan-Christoph Wolter, der weit mehr tut, als den Amen-Break zum x-ten Mal neu zu cutten. Denn das war genau das, wo alle „into it“ waren. Also war er „out of it“. In der Breakbeat-Musik haben sich alle Beteiligten immer viel zu wenige Gedanken über den notwenigen Abstraktionsgrad gemacht, um sich selber und die Tracks vorausschauend unersetzlich zu machen – de Babalon tut auf diesem Album genau das. Um wem das alles zu viel ist, der hört nur „My Confession“ und freut sich über die Chops. PS: Das Vinyl gibt es hier.

Kinderzimmer Productions Im Auftrag Ewiger Jugend Und Glückseligkeit Cover WW

Kinderzimmer Productions – Im Auftrag Ewiger Jugend Und Glückseligkeit

Ji-Hun: Vor wenigen Tagen hatte ich ein langes Telefonat mit einem alten Freund und wir tauschten uns über frühere gemeinsame Freunde aus. Wo sind sie gelandet, geht es ihnen gut? Nicht alle Nachrichten waren erfreulich, und irgendwie fing ich dennoch an, in längst vergangenen Teenager-Tagen zu schwelgen und darüber zu sinnieren, was man damals so getrieben hat. In angesifften XL-Hoodies in Merklinde oder Pöppinghausen rumlümmeln und HipHop hören zum Beispiel. Eine wichtige Platte für uns war das 1996 erschienene Album „Im Auftrag Ewiger Jugend Und Glückseligkeit“ des Duos Kinderzimmer Productions. DJ Quasi Modo und Rapper Textor kommen aus Ulm, was an sich schon ein Unikum der deutschen Popgeschichte sein dürfte. Aus Ulm kommen Leute wie UIi Hoeneß, Albert Einstein und Hildegard Knef, aber keine zwei verschwurbelte, kongeniale und brillante HipHop-Künstler. Als ich das Album nun nach mindestens 15 Jahren das erste Mal wieder von vorne angehört habe, war ich mindestens genauso begeistert wie in den 90ern. Diese hingerotzten Samples, das Rauschen, der Jazz, Hörspiel-Collagen und immer wieder diese Genialität. Ja, dieses Album ist genau das. Ziemlich genial. Würde die globale Rap-Welt besser Deutsch verstehen, wer weiß, was aus Textor und Quasi Modo dann passiert wäre. Man achte auf die verschachtelten, klugen Reime, diese Eloquenz, Fähigkeit zum Storytelling, die deutschsprachigen Aesop Rock und MF Doom – schade, dass im heutigen Diskurs Kinderzimmer eine so kleine Rolle spielen. Aber so ist es mit den kleinen, aber dennoch großartigen Planeten wie Pluto, denen der Status als Planet einfach aberkannt wird. Ich winke einmal respektvoll nach Ulm, wo ich – Asche auf mein Haupt – noch immer nicht war.

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Pantha Du Prince – Coming Home

Benedikt: Wenn mich nicht alles täuscht, ist das hier die Premiere für Pantha Du Prince bei Das Filter. Verrückt, dass er nach unzähligen Alben, Covergeschichten in diversen Magazinen und jeder Menge TamTam rund um die Live-Präsentationen seiner Alben hier noch gar nicht stattgefunden hat. Wobei: Eigentlich doch kein Wunder. Ich erinnere mich dunkel an den Beginn meines Praktikums bei einem Musikmagazin, für das ich vor etwas mehr als fünf Jahren nach Berlin kam. Ein Redakteur, der auch heute noch mit mir am Schreibtisch sitzt, sprach damals schon in leicht abfälliger Manier vom „Glockentechno“ und „Gebimmel“ Hendrik Webers. Ich stimmte ein, als bekennender „Black Noise“-Fan nicht sofort, spätestens aber mit Erscheinen von „Elements of Light“ und dem darauffolgenden eingangs erwähnten TamTam, das die Zusammenarbeit mit „The Bell Laboratory“ mit sich brachte: Glocken, Glocken, noch mehr Glocken, mehr davon und größere, aber bloß nicht lauter, weil Konzeptkunst und so. Bloß wirkte das Konzept auf mich wie wie eine Karikatur des Sounds von Pantha Du Prince, gezeichnet von ihm selbst, nur von Ironie keine Spur. Mit „Coming Home“ schafft es Pantha Du Prince nun doch noch in den Walkman, und das ganz ohne jede Glocke. Stattdessen ein Mixtape, Songs fürs „Coming Home“-Gefühl und das Zu-sich-Finden auf der eigenen Couch. Was Hendrik Weber hier zusammenkuratiert hat, entpuppt sich als Hörerlebnis, das einer großartigen Ambient-Platte gleichkommt, ohne explizit und überhaupt Ambient zu sein. Da sind Autechre und Squarepusher, da ist HipHop vom [Wu-Tang Clan] und La Düsseldorfer Krautrock-Elektronik. Da trifft Postpunk von The Heat auf auf Marvin Gaye. Und doch: von Durcheinander keine Spur. „Coming Home“ ist pure Mixtape-Magie und als Gesamtwerk auf Doppel-CD-Länge schlicht großartig.

Plattenkritik: Nils Frahm – All Melody(K)ein Piano

Leseliste 28. Januar 2018 – andere Medien, andere ThemenLarry Nasser, Mark E. Smith, Apple Cash FAQ und Agrar-Kolonialismus