Wochenend-WalkmanDiesmal mit A New Line (Related), Cro und CS + Kreme / Yu Su

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Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen.

A New Line Related WWalkman23092017

Thaddeus: A New Line (Related) ist das aktuelle Projekt von Andrew Johnson. Den kennt man von The Remote Viewer, My Famous Boyfriend oder auch Hood – mit Indie hat dieses Projekt aber nur auf einer abstrakten Meta-Ebene etwas zu tun, wenn überhaupt. Auf dem Dancefloor stand Johnson immer gerne, soweit ich weiß, nur so richtig getraut, das selbst mit seiner Musik auszuprobieren, hat er sich nie. Nun ist Johnson jemand, bei dem man so oder so immer froh sein muss, wenn er überhaupt etwas veröffentlicht, Johnson kokettiert gerne mit seiner eigenen Irrelevanz – hat er schon immer. Was Johnson anfasst, wird zu Gold. Aktuell fasst er vor allem Dinge auf seinem iPad an, das Projekt ist sozusagen um das Tablet konzipiert. Nach einem Album und zwei Singles – entstanden zwischen 2014 und 2016 – dreht er sich nun einmal mehr komplett um die eigene musikalische Achse und liefert für Kimochi Sound aus Chicago fünf Tracks ab, von denen drei lupenreiner Dancefloor sind, gebrochen von einem wundervoll glitzernden Interlude, zu dem man sich die Beats einfach dazu denken muss, und einer epischen Ambientreise, die hoffentlich in der Auslaufrille des Vinyls soviel Fahrt aufnimmt, dass sie bis zum Mars und wieder zurück reicht. Auch wenn sich Johnson bislang nicht so wirklich an den Dancefloor herangetraut hat – spüren konnte man ihn oft in seiner Musik. Nun also die Kehrtwende, explizit und mit mindestens 386 Ausrufezeichen. Die HiHats der 909 flattern, die Chords kuscheln, der Bass wumpelt, alles und warm und doch präzise und wirft sofort die Referenzmaschine an. Und doch klingt bei Johnson nichts nach geklautem Baukasten, sondern vielmehr nach jemandem, der sich endlich einen Ruck gegeben und Mut gesammelt hat, es einfach zu versuchen. Diese Bassdrum irgendwie zu bezwingen. Nicht, dass es da wirklich etwas zu bezwingen gäbe. So wundervoll das alles, so wundervoll wundervoll. Es ist wie so oft: Die besten Platten gibt es praktisch nicht. 200 Exemplare wurden gepresst. Digital? Fehlanzeige. Drum spielt der Bandcamp-Player. Und spielt und spielt und spielt. Danke, Andrew. Vielen Dank.

Cro tru Cover Walkman 20170923

##Cro – tru.
Benedikt: Dass jemals ein Album des Pandamaskenträgers in unserer Samstagskolumne würde, hätte ich bis zum aktuellen Release nicht für möglich gehalten. Eigentlich war der letzte Wochenendwalkman schon nicht ganz ehrlich, denn „tru.“ rauschte schon am vergangenen Samstag wie Sonntag öfter durch die Lautsprecher, als jedes andere Album. Aber auf das Surfen auf der ersten Hype-Welle ist oft trügerisch, ich wollte mir sicher sein, in Ruhe zuhören. Bin ich jetzt, hab’ ich jetzt. Das dritte Album von Carlo Waibel hat alles was Cro immer auszeichnete und den Weg seiner Airplay-Karriere ebnete: starke Hooks, großartige Melodien, Texte mit reichlich Raum für Identifikation (für Teenies) in zeitgemäßem Vokabular. Soweit so gut und alles wie immer? Mitnichten. Zum ersten Mal bekommt man das Gefühl, dass Texte einen echten, ehrlichen Blick in die Seele des Erfolgskünstlers zulassen. Dass in der guten Hook plötzlich mehr als bloß die gute Hook steckt: Fame, digital gefakter Alltag, jaja Liebe und so auch. Mit lässigem Flow paart er lyrische Eleganz und Verspieltheit und verweist mal eben ganz HipHop-Deutschland auf die Plätze: Egal ob harte Flows der Straßenrapper oder dishamronisches Autotune-Geleier von Lean saufenden Möchtegernmillionären – Cro macht das alles noch viel besser als gehypte Scheinmeister ihrer Klassen, legt mit astrein US-inspirierten Beats und seinen Dreampop-Gesängen noch zehn Schüppen drauf. Eineinhalb Stunden dauert „tru.“ und dürfte gleichermaßen das Deutschrap- und Deutschpop-Album des Jahres sein. Darauf ein gänzlich unerwartetes: Wow!

Album bei iTunes

CS + Kreme / Yu Su - WWalkman23092017

CS + Kreme / Yu Su: Road Ghost / Little Forest

Christian: Eigentlich wollte ich hier das großartige neue Album von F Ingers empfehlen, dessen ausgefranst psychedelische Dubyness mich seit einiger Zeit überhaupt nicht mehr loslässt. Das Trio F Ingers besteht aus Carla Dal Forno, Tarquin Manek und Sam Karmel. Während die Solo-Platten der beiden Erstgenannten mir ebenso lieb und teuer wie F Ingers selbst sind, war mir bislang unbekannt, was Sam Karmel eigentlich sonst so macht. Also gegoogelt. Zwei Klicks weiter stieß ich auf CS + Kreme, ein mir bis dato völlig unbekanntes Projekt Karmels. Deren letzter Release ist die A-Seite einer Split-Kassette. Darauf findet sich ausschließlich das wahnwitzige „Roast Ghost (Ultra Lavender Mix)“, ein 20minütiges Stück Leftfield-Pop, das man wahlweise für eine Zumutung, einen Scherz oder eine Offenbarung halten kann. Oder alles gleichzeitig. Hemmungslos banal und gefühlt endlos dudelnd, mit im Hall kreisenden Pianomelodien, synthetisch anmutenden Saxophonen, kitschigen Gitarren und einem Beat, der das Preset eines Keyboards aus den 90ern sein könnte (Einsteigermodell). Das klingt nur zunächst ein bisschen schlimm, wirkt nämlich nach wenigen Minuten angenehm sedierend. Man weiß hernach wie es sich anfühlen muss, in der Warteschlange eines Mobilfunkanbieters zu leben. Das ist übrigens als Lob zu verstehen. Und noch was: Weil mir beim besten Willen kein passenderer Soundtrack zu vier weiteren Jahren Große Koalition einfällt, empfehle ich: Morgen CS + Kreme in den Walkman schieben und auf zum Wahllokal.

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Leseliste 24. September 2017 – andere Medien, andere ThemenStille in Nordkorea, Facebook ist Hacking, Geflüchtete in Trumps Elternhaus und Videospiele in der DDR