Wochenend-WalkmanDiesmal mit 808 State, Pom Pom Squad und HTRK

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: 808 State, Pom Pom Squad und HTRK.

808 state transmission suite cover walkman

808 State – Transmission Suite

Benedikt: Dieses Wochenende steht für mich unter dem musikalischen Motto: „Getting into 808 State“. Nicht etwa, weil „Transmission Suite“ so ein tolles Album ist. Das kann ich nach dem bisher knapp einmaligen Durchhören gar nicht einschätzen, geschweige denn beurteilen. Aber genau darum soll es gehen: die Befähigung zur halbwegs validen Einschätzung dieser Platte unter Einbezug und Berücksichtigung des eigentlichen, einstigen Schaffens und des bis heute währenden Impacts der Band aus Manchester – ein ambitioniertes Projekt, ich weiß. Freilich ist der Name 808 State für mich kein gänzlich unberührtes Terrain. Wie auch? Denn die heute nur noch aus Graham Massey und Andrew Barker bestehende Band dient den Musikjournalisten-Kollegen (weit über unsere Redaktion hinaus) als gern herangezogenes Referenzobjekt, sobald sich ein Diskurs um Acid-House in UK bzw. Europa aufspannt. Mir fehlt da bislang gänzlich der Bezug. Als 808 State sich während der 1990er den Platz in der Hall of Fame des hiesigen Raves sicherte, war mein einziger Berührungspunkt zu Acid-House der Smiley. Das einzige Objekt, das ich schon im Kindergartenalter aufs Papier bringen konnte (ohne „übern Strich zu malen“), ohne eine anderweitige Symbolik dahinter aber auch nur erahnen zu können. „Transmission Suite“ ist an dieser Stelle also nicht mehr, als Anlass zur Beleuchtung eines bislang dunklen Flecks in der Kammer meines musikalischen Wissens. Aber eine gute Gelegenheit ist ja auch was wert, oder?

Pom pom squad ow album cover

Pom Pom Squad – Ow

Susann: Fast immer, wenn ich einen Wochenendwalkman schreibe, betone ich die 1990er-Jahre-Indie-Referenz. Auch diesmal. Aber was soll man machen – es gibt gerade einfach SO VIEL davon und mir gefällt es dann auch immer so gut. Liegt es daran, dass einem alles aus der eigenen Kindheit eh besser taugt? Oder dass die Indie-Musik in den Neunzigern einfach schon das Allerbeste war, was das Genre hervorbringen konnte? Jedenfalls hier, eine Band namens Pom Pom Squad, die man auch schon allein für den Namen und ihr EP-Cover zu „Ow“ kennenlernen möchte. Mia Berrin, „head cheerleader“ und Sängerin sowie Gitarristin der vierköpfigen Formation, singt auf dieser sorgfältig geplanten, sieben Song langen EP von all den traurigen und dramatischen Dingen, die einem jungen Menschen so beim Erwachsenwerden passieren. „If  I’m nothing without you, am I anything at all?“ singt die 22-jährige in Honeysuckle. Man denkt an Grunge, speziell an Hole und dann gibt es doch wieder etwas Zeitgemäßes in der dargestellten Wucht und Emotionalität. Die Gitarren schrabbeln ordentlich verzerrt, aber die Ausreißer – wie zum Beispiel die Violin-Begleitung im leiseren Intro und „Owtro“ – verdichten die derzeit angesagte „Quiet Grrrl“-Bewegung. Einen riesigen Sympathiebonus gewinnen Pom Pom Squad übrigens mit diesem Live-Cover von Weezers „Undone (The Sweater Song)“ – diese Referenz reicht dann zurück in das Jahr 1994.

HTRK Over The Rainbow Artwork

HTRK – Over The Rainbow

Thaddeus: Eigentlich haben HTRK ja gerade erst ein Album veröffentlicht. Nun überrascht das australische Duo mit dem Soundtrack für „Over The Rainbow“, eine Dokumentation von Jeremy Piexoto über Scientology. Gesehen habe ich den Film nicht, darum fällt es mit schwer, die inhaltliche Tendenz einzuschätzen und angemessen wiederzugeben. Immerhin scheint es eine kritische Auseinandersetzung mit der Psycho-Sekte zu sein, die in den USA ja gerne als „Religion“ und „Kirche“ wahrgenommen wird – totaler Quatsch. Scientology ist einfach nur brandgefährlich. „Over The Rainbow“ besteht ausschließlich aus Interviews, in denen die Menschen direkt in die Kamera blicken und erzählen. Jonnine Standish und Nigel Yang verzichten für den Soundtrack auf alles, was ihre Musik eigentlich ausmacht: die Vocals und die Beats. Und geben sich vielmehr leergefegt-minimalistischen Ambient-Exkursionen hin, die voller Brüche stecken und jedes nur erdenkliche Stillleben des Scheiterns orchestrieren könnten. Es wuchert. Es übertüncht, verdeckt und verschleiert. Und klingt dabei nie bedrohlich, ganz im Gegenteil. Eher wie ein Fiebertraum einer längst abgeschalteten KI, die am Notstrom ein Leben Revue passieren lässt, das es so nie gegeben hat.

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