Wochenend-WalkmanDiesmal mit Bochum Welt, Sampa the Great und Jimi Tenor & Freestyle Man

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Diesen Samstag: Bochum Welt, Sampa the Great und Jimi Tenor & Freestyle Man.

Bochum Welt Seafire Artwork

Bochum Welt – Seafire

Thaddeus: Die Musik von Gianluigi Di Costanzo war für mich ein wichtiger Zugang zur elektronischen Tanzmusik. Seine Releases auf Kromode, Axodya und natürlich Rephlex spiegelten genau das wider, was ich damals suchte, die Auseinandersetzung mit und die Weiterentwicklung von Synthpop unter den Gegebenheiten des Electro, ohne dabei wirklich Electro zu sein. Das versprach Verve und vor allem einen offenherzigen Umgang mit Melodien. Und die konnte Costanzo. All das ist lange her – spielte sich in der Mitte der 1990er-Jahre ab. Constanzo machte zwar weiter, doch so richtig mitreißen konnte er mich damit nicht mehr. Seine Rolle als Pionier des roughen Kitsch übernahm Skanfrom mit seinen handgestempelten 7"s. Nun, nach einem Ausflug zu K7, legt Bochum Welt sein neues Album vor, auf Central Processing Unit. Und plötzlich ist alles wie früher, also: musikalisch in Ordnung. Große Tracks, allesamt kurz, mal mit Beat, mal ohne, eigentlich vor allem ohne. Hier kehrt jemand zu seinen Wurzeln zurück, mit Melodien und Akkorden, die mich immer noch sofort zusammenbrechen lassen vor Freude. Und eingerahmt werden von seinem vielleicht besten Track alles Zeiten. „Mélodie d’aoùt“ liegt hier erstmals digital vor und endlich wieder auf Vinyl – wenn auch in leicht veränderter Version. Die EP „Les Dances d’été“, auf der sich dieses Stück damals befand, ist eine von vielleicht vier Platten, die ich derart runtergespielt habe in den vergangenen 25 Jahren, dass ich sie heute keinem Tonabnehmer mehr zumuten möchte. Ein großer Musiker ist wieder da. Und ein Stück Himmel strahlt in den Herbst.

Sampa the Great The Return Cover

Sampa the Great – The Return

Ji-Hun: Vergangenes Wochenende habe ich mir viel HipHop im Streaming-Fernsehen angeguckt. Ein Film über den derzeitigen Überflieger Travis Scott aus Houston und die dritte Staffel von HipHop Evolution auf Netflix. Immer wieder stellt sich nicht nur dabei die Frage: Was ist HipHop überhaupt noch? Was gilt dazu, was nicht? Und worum geht es bei HipHop denn noch? Man darf völlig zurecht sagen, dass die Tatsache solche Frage zu stellen obsolet geworden sind. Aber dann gibt es so ein Album von Sampa The Great. 1993 in Zambia geboren, in Botswana aufgewachsen, einige Jahre in Kalifornien gelebt, um dann nach Melbourne zu gehen, um dort Audioproduktion an der SAE zu studieren. Sampa Tembo hat viele Gründe sich „the Great“ zu nennen. Da spielt ein neues Selbstverständnis und Souveränität eine Rolle und die strahlt in jedem Song. Sampa hat eine stimmliche Prägnanz wie einst Lauryn Hill. Ist eben nicht dem US-amerikanischen Rap sui generis verpflichtet und kann daher Soul, Funk, Jazz, afrikanische Musik und HipHop auf äußerst erfrischende und geschmeidige Art zusammen bringen. Um eine letzte popkulturelle Referenz einzuspannen: Ein Album wie Wakanda. Groß.

timi tenor freestyle man are we it cover

Jimi Tenor & Freestyle Man – Are We It?

Benedikt: Als diese EP aus dem Hause Studio Barnhus auf dem Radar aufblinkte, musste ich so gleich an diese wunderbare Label-Compilation „Volym 1 “ von vor ziemlich genau einem Jahr denken. Die beiden finnischen Musiker Jimi Tenor und Klas Lindblad aka Freestyle Man, Sasse, Winston Fletcher, oder einen seinen zig anderen Moniker konnte ich darauf zwar nicht ausmachen, doch das tat der Erwartungshaltung gegenüber diese EP keinen Abbruch: ein bisschen deepen Spätsommerhouse fürs Spätsommerwochenende sollte sich meiner Vorstellung nach von dieser Platte drehen. Deep House, der den Peak Times ebenso angenehm entsagt wie den Peak Temperatures der vergangenen Monate. Und was soll ich sagen? Genau das ist „Are We It?“ dann tatsächlich. Neben dem guten Stil, den man von Studio Barnhus ohnehin gewohnt ist, sorgen Hammondorgel und zahlreiche, über die gesamten 25 Minuten verteilten, Flötensoli für einen Schuss Nostalgie und das Übertreffen der eh schon erfüllten Erwartungen. Eine Repeat-Platte.

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