Plattenkritik: Species of Fishes – Some Songs of a Dumb World (Galaxiid)It is acid is

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Die Reissue des 1994 erschienenen Albums des Moskauer Duos hätte zu keinem besseren/schlechteren Zeitpunkt kommen können.

Dieses Album ist wie das ganze Jahr: Ein zunächst scheinbar träge vor sich hin mäanderndes Arrangement aus Flächen, Soundscapes, dazwischen erklingen liebliche Klänge und entfernte Stimmen. Und dann beginnt die 303 wie aus einem plötzlich angespülten Giftmüllfass zu wabern, zu blubbern und sich mit gleißendgrüner Flüssigkeit an den Strand zu ergießen. It is acid is. Für mich ist das ehrlich gesagt der perfekte Soundtrack für unsere toxische Ära, für eine Welt, in der gerade so vieles kaputt geht und zerbricht. Und gleichzeitig ist die Produktion, die Species of Fishes uns hier präsentieren, ein (alp)traumhafter Trip zurück in die Neunziger (ist ja gerade en vogue VIVA- und Echt-Dokus, Büchern und Sonstigem). Denn es ist eine Produktion aus den Neunzigern: Das Album wurde 1994 bei Korm Plastics aus NL releast.

Species of Fishes wird gebildet von Igor Kolyadny and Vitaly Stern aus Moskau, die ihre Homerecordings in einer Zeit machten, als Boris Jelzin mit hochrotem und wodkagetränktem Kopf sein Land in ein wirtschaftliches Chaos dirigierte, aber wenigstens noch keine Kriege anzettelte. Bis Jahresende, dann Einmarsch in Tschetschenien. Ruanda war auch 1994. Bosnien. Curt Cobain. Auch kein gutes Jahr. Der Albumtitel „Some Songs Of A Dumb World“ hätte besser gewählt nicht werden können. Mit der vergleichsweisen Schlichtheit der technischen Produktionsmittel zeitigen Species of Fishes Klänge, die etwas mit mir machen, wie man heute so achtsam sagt. Berührt mich echt. Ein Moment der Dankbarkeit in undankbaren Zeiten.

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