Playlist: Diese Tracks begleiteten LSSNS bei der Produktion ihres Debütalbums "Transit"Das finnisch-deutsche Projekt lässt den Synth-Wave der 80er-Jahre wieder auferstehen – mit Style

Portrait der Band LSSNS - gross

LSSNS: Patrick Sudarski, Samu Kuuka, Ville Kuukka. Foto: Heini Mäntylä

Samu Kuukka, Ville Kuukka und Patrick Sudarski sind die neue Supergroup der musikalischen Erinnerungen an die 1980er-Jahre. Trotz aller Revivals: Ihr Album "Transit" is the real shit. Passt in keine Schublade und bringt doch die unterschiedlichsten Strömungen und Ideen der 80er auf den Punkt. Zwischen Synth-Pop, Post-Punk, Wave, Funk und den Überbleibseln von Disco bauen sie sich ihre ganz eigene Welt. Eine Welt, die genauso in Karotten-Jeans passt wie in die Kommando-Kapsel einer SpaceX-Rakete. Future halt. Exklusiv für Das Filter haben die drei Musiker für sie einflussreiche Tracks herausgesucht und kommentiert. Eine Playlist mit Ansage.

Vor ziemlich genau sieben Jahren ging in diesem Magazin eine Video-Premiere online. Lessons hieß das Projekt, „Tempest“ die EP. Ich schrieb damals: „Zusammen mit Patrick Sudarski wird hier genau die Version der 80er aufgearbeitet, die auch heute noch etwas bewegen kann. Ein tiefes Verständnis von Pop, zusammengebaut in einer Lässigkeit, die trotz aller Melancholie immer in die Sonne blinzelt.“ Dazu stehe ich nach wie vor – sieben Jahre später. Denn für lange Zeit lag das Projekt danach auf Eis. Die finnischen Brüder Samu und Ville Kuukka – zwei Künstler, die nicht nur in der Musik unterwegs sind, sondern zahlreiche andere kreative Ausdrucksarten verfolgen – und der deutsche Sänger Patrick Suderski hatten mit dieser EP etwas hingestellt, was selbst das Berliner ICC überleben würde, architektonisch wie ästhetisch. Und weil die Kuukka-Brüder ihren Filofax immer wieder zerrupfen, neu organisieren und derweil auch die Welt diverse Male aus den Fugen kippte, dauerte es bis zum Debütalbum. Ich mag die Vorstellung, dass Kuukka, Kuukka und Suderski ihre Synthesizer-Blauhelme aufsetzen und im Chopper überall dort im Einsatz sind, wo Not am Menschen ist.

Nun wurde „Transit“ veröffentlicht. Mit zehn Tracks zwischen analogem Erbe und digitalem Aufbruch, reflektiert und neu erfunden. Da ist der klassische Electro, aber auch der Pop von „Top Of The Pops“, an den „Formel Eins“ nie heranreichte. Informiertes Songwriting – musikalisch so gut umgesetzt, dass die langweilige Debatte zwischen Analog und Digital nicht mehr geführt werden muss. LSSNS schreiben Songs, die auch in 100 Jahren noch nachhallen werden.

Für Das Filter haben die drei Musiker die Produktion des Albums reflektiert und jeweils vier Tracks herausgesucht: Einflüsse. Diese Zusammenstellung ist ein passendes wie kratzbürstiges Parallel-Universum zu den Stücken auf "Transit".

Garten-Breaker

Das Album

Die Playlist

Garten-Breaker

Samu Kuukka:

The Egyptian Lover – I Cry (Night after Night)

Produktion und Attitude? Unfassbar cool. Die 808. Die Synths. Die GITARRE. Mein Gott, diese GITARRE.

Coolest production and attitude. The sweet 808, the synths, the GUITAR, my gad the GUITAR.

The System – This Is for You

Hier passt alles. Die Dekadenz, die Produktion, die Electro-Funk-Synth-Basslines, das Songwriting. David Frank von The System war Experte für Killer-Basslines und hat auch im Mainstream Spuren hinterlassen: Er programmierte den Bass-Synthesizer auf Phil Collins’ „Sussudio“. Boogie und Electro-Funk waren ein großer Einfluss bei der Produktion von „Transit“.

The decadence, the lush production, the electro-funk synth basslines, combined with solid songwriting – so nice. David Frank of The System was a master of killer basslines, and brought his skills to the service of mainstream music also – the bass synth on Phil Collins’ “Sussudio” was programmed by him. Boogie/Electro-Funk in general has been a big influence on “Transit”.

Tones On Tail – Performance

Tones On Tail enttäuschen nie. Ich war schon immer beeindruckt von der Kreativität, die sie in ihre Tracks stecken. Post-Punk-Ethos und düstere Synths: Das kann nicht schiefgehen.

Tones On Tail never fail. I’ve always been impressed with the creativity they put into their tracks. Post-punk ethos and dark synths, how could that go wrong?

Sextile – Disco

Sextile fand ich von Beginn an gut. Düster und sexy. Und dieser Track ... was für ein Banger.

Sextile have been inspiring me from since they first appeared on the scene. Nice dark, sexy moods, and an absolute banger track.

Garten-Breaker

Ville Kuukka

In letzter Zeit höre ich viel deutsche und französische Musik. Ich gebe zu, dass ich große Sehnsucht habe nach Städten wie Berlin und Paris ... nach Europa im Allgemeinen. Der Nachtzug. Die Zigaretten. Die Autobahn. Nach den Nächten, egal ob warm oder kalt, in denen ich unterwegs war. Dieses Gefühl umso stärker, wenn ich das politische Klima in Finnland beobachte und wie es sich mit der neu gewählten rechtsextremen Regierung auf einen absoluten Tiefpunkt zubewegt. Was bleibt, sind Kunst und Aktivismus. Es fühlt sich an, als ob wir auf das Ende der Welt zulaufen würden. Hier sind ein paar Lieder, die mir regelmäßig Trost spenden. Wie Cohen singt "...The summer's almost gone. The winter's tuning up. Yeah, the summer's gone. But a lot goes on forever."

Lately I’ve been listening to a lot of German and French music. I have to admit I have a strong longing to Berlin, Paris…, Europe. The night train. The cigarets. The autobahn. Those warm and cold nights of running around. My feeling grows ever more stronger as the political climate in Finland spirals down towards it’s all time low with the newly elected far-right government. What remains is art and activism. It feels we’re running to see the end of the world. Here are a few songs I regularly take comfort in. As Cohen sings "…The summer's almost gone. The winter's tuning up. Yeah, the summer's gone. But a lot goes on forever".

Profil – Ich liebe dich

Levin Goes Lightly – Nichts ändern

Die Heiterkeit – Was passiert ist

Bad Hammer – Ghost

Garten-Breaker

Patrick Sudarski

The Aim Of Design Is To Define Space – Kippenberger

Ich hatte immer das Gefühl, dass diese Band an der Grenze zwischen Intellekt und Quatsch steht. Das ist ein Sweet Spot, der viele abschreckt, mich aber zum Lächeln bringt.

Always felt like this band is borderlining between intellect and nonsense. That sweet sweet spot that puts a lot of people off but always makes me smile.

Nabihah Iqbal – This World Couldn't See Us

Ein ziemlicher aktueller Track. Wahrscheinlich wird es in dieser Playlist davon nicht zu viele geben. Was für ein Tune. Unbedingt verführerisch, mit großartiger Stimme und Attitude. Es klingt, als ob dich jemand einen Blick in seine Welt werfen lässt, dir dann aber die Tür vor der Nase zuschlägt.

Something fairly recent as we probably won’t have much of this. What a sensational tune. Seductive to say the least. Great voice and attitude. Making it sound like someone lets you take a peek at their world but then shutting the door in your face.

Spacemen 3 – Big City (Everybody I Know Can Be Found Here)

Ich hätte viele Tracks von Spacemen 3, Spiritualized oder gleich aus dem 4AD-Regal nehmen können: Das Stück hier ist dann aber doch etwas Besonderes: hypnotisch, selbstgenügsam und hungrig. Bei dieser Art von Band hat man immer wieder mal das Gefühl, etwas Unmittelbares und Unmittelbares zu hören, das sich nicht einordnen lässt. Das hier ist Musik von jemandem, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass er noch drei Nahtoderfahrungen machen wird. Wähle deine Drogen mit Bedacht.

Could have picked a lot from the Spacemen 3, Spiritualized or 4AD shelf but here is a rare species. Hypnotic, self sufficient and hungry…with a lot of the bands mentioned you get that feeling of hearing something imminent and immediate that can’t be stacked or designed. Music from someone who at that point didn’t know he will have about three near death experiences coming. Choose your drugs wisely.

Cocteau Twins – Wax And Wane

Als ich diesen Track zum ersten Mal hörte, war ich so befremdet wie interessiert. Sicher, es ist ein Sound, an den wir uns alle im Laufe der Jahre gewöhnt haben, aber versucht euch in den Moment zurückzuversetzen, in dem ihr so etwas zum ersten Mal gehört habt. Die Aggression und die Behaglichkeit, die Angst, die mit dem Gefühl der Zugehörigkeit in einem dunklen Raum kämpft. Das ist schon sehr cinematisch. Wenn man die Musik der Cocteau Twins als unterschiedliche Arten von Süßigkeiten versteht, ist dieses Stück hier ganz eindeutig Lakritze. Klebrig.

When I heard that tune for the first time I was so alienated and attracted at the same time. Sure, it’s a sound we all got comfortable with over the years, but try going back to a moment in time when this hit you first. The aggression and the comfort, the anxiety battling with this feeling of belonging in a dark room. Cinematic at its best. We know this band was giving out a lot of candy too, but this is a chunk of licorice. Sticky.

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