Plastikman & Chilly Gonzales, Yasuaki Shimizu, Sondre LercheWochenend-Walkman – 15. April 2022

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Jeden Freitag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Plastikman & Chilly Gonzales, Yasuaki Shimizu und Sondre Lerche.

Plastikman Chilly Gonzales Consumed In key Artwork

Plastikman & Chilly Gonzales – Consumed In Key

Christian: „Consumed“ steht seit 1998 wie ein Monolith in der Diskografie von Richie Hawtin und markiert für viele auch den Höhepunkt seines Langzeit-Projekts Plastikman. Am ersten April erschien nun „Consumed In Key“, und man könnte es tatsächlich für eine Aprilscherz halten. Aber leider ist es keiner. Die Idee: Chilly Gonzales „reimaginiert“ einen Klassiker des Minimal-Technos. Die Umsetzung: Chilly Gonzales klimpert ein bisschen auf dem Klavier über die nur wenig modifizierten Original-Tracks von „Consumed“. Die beunruhigende Kraft, die jene im Original entfalten, wird nicht nur ausgebremst, der Monolith verkommt hier zur reinen Kulisse. Was Gonzales abliefert ist jedoch derart uninspiriert, dass man meinen könnte, „Consumed In Key“ sei den beiden Kanadiern nach einer etwas zu ausgiebigen Sake-Verköstigung „passiert“. Musik, die gerade vom Weglassen lebt, mit zusätzlichen Spuren anzufetten, das ist per se schon kein besonders cleveres Vorhaben. Gonzales aber verziert „Consumed“ einfach mit ein paar belanglosen Melodiebögen, Akkorden und gelegentlichen Trillern. Das Ergebnis ist ein schrecklich biedermeierlich anmutendes Stück Wohnzimmer-Musik, das nicht nur wenig schlüssig, sondern über Strecken sogar unfreiwillig komisch ist. Dass Hawtin der Veröffentlichung überhaupt zugestimmt hat, zeugt immerhin von Selbstironie.

Yasuaki Shimizu Kiren Artwork

Yasuaki Shimizu – Kiren

Thaddi: Ich hatte kürzlich Geburtstag, und Freunde und Kolleg:innen waren so wahnsinnig, mir eine Nintendo Switch zu schenken. Als Kind der 80er und mit einer Mutter, die selten nein sagen konnte, wuchs ich mit Nintendo-Handhelds auf – den Game & Watch-Iterationen von Mario, Donkey Kong etc. Ein wirklicher Gamer wurde aus mir zwar nie – Ausnahme: Stellt mir einen Schneider CPC 464 mit „Fruity Frank“ hin, und ich bin für länger weg –, mich fasziniert aber die japanische Tradition von Games und natürlich auch die frühe Zeit dieser Entwicklung, in der eben jene Tradition, die Zukunft und eine glasklare Marktanalyse, wie sich der westliche Markt dank des technologischen Vorsprungs würde erobern lassen. Und weil Musik auch immer Teil von Spielen ist, höre ich über Ostern diese Platte hier, ein bislang unveröffentlichtes Album des japanischen Saxofonisten Yasuaki Shimizu von 1984. Nein, ich kannte ihn bislang nicht, aber seine Vita verrät mir, dass wir eine Schnittmenge haben. Und ein erstes Dippen macht einen großen Kosmos auf – mit Sax, Sampling, Drumcomputer und Haltung. Klingt sehr toll. Und das Vinyl gibt es hier.

Sondre Lerche Avatars Of Love Cover

Sondre Lerche – Avatars Of Love

Ji-Hun: Seit nun mehr 21 Jahren veröffentlicht der Norweger Sondre Lerche Alben und kürzlich ist sein elfter Langspieler „Avatars Of Love“ erschienen. In Norwegen ist Lerche durchaus so etwas wie ein Star. Hier ist er weitestgehend unbekannt. Auch wenn wir damals 2001 in unserer Bochumer WG sein Debüt-Album „Faces Down“ adäquat gefeiert haben. „Avatars Of Love“ ist ein Meisterwerk von einem Album und ist zugleich eine Antithese zu all den Discount-Wegwerf-Pop-Vorwürfen, die heute im Spotify-Zeitalter die Runde machen. Es ist unfassbar gut geschrieben, fantastisch wie intelligent arrangiert und orchestriert, edel produziert, und scheut auch keine Songlängen von über zehn Minuten. Diese Tatsache lässt auch wieder die Prinzipien des Pop hinterfragen. Was für eine Karriere hätte Sondre Lerche wohl gemacht, wäre er nicht in Bergen geboren sondern in New York, wo er derzeit lebt, oder meinetwegen in London? Oder ist am Ende alles gut so, wie es ist? Wieso muss Musik immer im Zusammenhang mit Ruhm und Erfolg gedacht werden? „Avatars Of Love“ ist trotz seiner länge von 86 Minuten narrativ dicht erzählt wie es wenige schaffen. Hier hat alles seinen austarierten Platz, es berührt und gibt den Glauben an guter Musik und den perfekten Song zurück. Das Jahr 2022 ist bereits ein sehr gutes Jahr für Musik gewesen, das hier ist ein weiteres großes Highlight, ein Manifest, auch wenn mir nur wenige zustimmen werden, weil es eben in keine, aber auch gar keine Hype-Ökonomie passt.

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