John Tejada, Nana Yamato, Nick Cave & Warren EllisWochenend-Walkman – 26. Februar 2021

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Jeden Freitag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: John Tejada, Nana Yamato und Nick Cave & Warren Ellis.

John Tejada Year Of The Living Dead Artwork

John Tejada – Year Of The Living Dead

Thaddi: Welche spielt Techno 2021 noch? Bzw.: Welche Rolle kann Techno dieses Jahr noch spielen. Manchmal denke ich, dass es vielleicht der einzig gute Aspekt an der Pandemie ist. Dass sich niemand mit ein bisschen Verstand mehr für die reflexionslose Abfahrt interessiert, sich anderen musikalischen Spielarten zuwendet und den Opfern in Tulum und Tanzania – DJs wie attendees – keine Aufmerksamkeit schenkt. John Tejada muss das alles nicht interessieren. Er ist mehr als Techno. Oder House. Oder Rave. Das hat sich vielleicht noch nie so plastisch gezeigt bzw. angehört wie auf seinem neuen Album „Year Of The Living Dead“. Der Titel sagt ja schon alles. Schnelltests hin, Impfkampagne her – wir müssen alle neue Wege finden, mit uns und unseren Leidenschaften umzugehen – für lange Zeit. Und wenn diese Zeit irgendwann mal vorüber ist, kann es gut sein, dass die gemeinschaftliche Ekstase längst in Vergessenheit geraten ist und YouTube-Videos den Funken von früher nicht mehr überspringen lassen. Schlimm ist das nicht. Es macht Platz für eine neue und tiefere Auseinandersetzung mit der elektronischen Tanzmusik. Und genau die pflegt Tejada. Ohnehin schon seit Jahren, hier aber mehr denn je. In den acht Tracks geht es viel mehr um Sound und Raum als um alles andere. Diese Stücke würden auch ohne Beats bestens funktionieren. Dass sie nun doch dabei sind, macht rein gar nichts. Denn sie spielen keine übergeordnete Rolle, sind kein Treiber des Geschehens. Vielmehr nimmt uns Tejada mit auf eine Expedition in die Teile seines Studios und seiner Sample-Bänke, die für längere Zeit nicht mehr angeknipst wurden. Ein kunterbuntes Universum hinter einem vornehmlich dunklen Vorhang, der sich ganz bewusst nur allzu leicht zur Seite schieben und vergessen lässt. Dahinter verbergen sich nicht zwingend die Ursprünge. Stattdessen bebt die Essenz einer Musik, die viel zu lange missbraucht wurde. Tejadas bislang bestes Album.

Nana Yamato Cover

Nana Yamato – Before Sunrise

Ji-Hun: Nana Yamato ist eine 20-jährige Musikerin aus Japan, die sich zwar an westlichem Indie orientiert, aber daraus dennoch was sehr eigenes macht. Ihr charmantes und überzeugendes Debüt erscheint auf dem Label Dull Tools, das von Andrew Savage von Parquet Courts betrieben wird. „Before Sunrise“ ist ein klassisches Bedroom-Album geworden. Drums, Bläser und das meiste, was nicht Gitarren oder Vocals sind, kommt aus der Box, was aber wieder beweist und motivierend ist, dass man ja eigentlich immer Alben machen kann und was bleibt Musikmachenden auch derzeit viel anderes übrig, als Songs zu schreiben und sie aufzunehmen. Sehnsucht nach Tokio und Japan bekommt man dabei sowieso. Schönes Ding.

Nick Cave Warren Ellis Walkman Cover

Nick Cave & Warren Ellis – Carnage

Benedikt: Diese für mich beste LP von Nick Cave seit „Push The Sky Away“ passt nicht annähernd in eine Review. Und da es sowieso schade wäre um jede Sekunde, in der dieses Album angelesen statt -gehört wird, will ich nicht viele Worte verlieren. Weder über die von Warren Ellis eingespielte, wundervoll dichte Soundkulisse aus Streichern, Synthsflächen und gelegentlichen elektronischen Rhythmen. Noch über die unglaubliche Intensität und die einmal mehr verzerrte, destruktive Bilderwelt Nick Caves aus Liebe und Hoffnung, plötzlicher Brutalität – „I'll shoot you in the face“ –, dem Ankommen im „Kingdom of The Sky“, dem „waving Goodbye“. Die Musikpresse ist heute voll von letztlich scheiternden Essays dieser Art. Hier ist alles viel zu fragil. Hört es euch einfach an. Wow.

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