„Viel besser als die flache Leinwand“Der Maler Ruprecht von Kaufmann im Interview

Ruprecht von Kaufmann

Ruprecht von Kaufmann ist Maler zwischen den Lagern: Weder will er sich der Malerei der Moderne, noch einer narrativen Bildsprache verweigern. Im Interview mit Autor Martin Raabenstein erklärt der Maler, warum die zwei Dimensionen der klassischen Leinwand nicht reichen und er mit seinen Werken ein mit Stacheldraht gesichertes Niemandsland betritt. Und auch zum Kunstbetrieb hat von Kaufmann was zu sagen. Die wachsende Distanz zwischen Atelier und Kunstmarkt macht es den Kreativen nicht leichter.

Seit 2003 ist der geborene Münchner in der Hauptstadt tätig, zuvor war er für den Bachelor in Illustration und Malerei am Art Center College of Design in Pasadena, Kalifornien. Mit seinen Arbeiten ist er schon um die ganze Welt gereist - um Ausstellungen zu bestücken und Preise entgegenzunehmen. Ab Donnerstag stellt Ruprecht von Kaufmann seine Arbeiten im EIGEN + ART Lab in Berlin aus.

Fabel

Fabel, 2014. Öl und Acryl auf Leinwand, 210 x 800 cm

Ruprecht, aufreizen aber nicht anfassen lassen, hochpushen aber nicht einlösen. Was ist los mit der zeitgenössischen Kunst?

Nichts - ist vielleicht die zynische und knappe Antwort. Gute Künstler gibt es wie eh und je. Die Hofnarren singen und tanzen noch und versuchen ihre langen Füße unbequem in den Weg zu strecken. Nur haben die Könige der Welt sie entweder in goldene Schachteln verbannt, wo sie in opportunen Momenten einem staunenden Publikum vorgeführt werden, als „Freizügigkeits“-Trophäen der Meister des Geldes, oder man lässt sie einfach an der langen Hand verhungern. Kunst schaffen und Kunst vermarkten, ebenso wie Atelier und Kunstmarkt, haben sich immer mehr von einander entfernt und zwingen den Künstler in die unangenehme Position des Berufsschizophrenen, wenn er versucht, sich in diesen beiden Welten zu bewegen.

Nebel Suspendiert

Nebel - Suspendiert, 2008. Öl, Wachs, Pigment auf Leinwand, 200 x 280 cm

Offenbarung

Offenbarung, 2009. Öl, Wachs, Pigment auf Leinwand, 170 x 140 cm

Deine Arbeiten sind voller Bildzitate. Gibt es dennoch Vorbilder, die zwischen deinen vielfältigen Welten namentlich herausragen?

Ich habe einen sehr eklektischen Geschmack, sehr viele, sehr unterschiedliche Vorbilder. Das reicht von Velasquez über Goya zu Rothko. Der größte Teil meiner Inspiration aber kommt eigentlich von Schriftstellern und Musikern. Texte von Salman Rushdie oder Jonathan Lethem oder die Liedtexte von Tom Waits sind für mich sehr wichtige Quellen. Oft sind es nur zwei, drei Worte, die ganze Bilderlawinen in meinem Kopf lostreten.

Was hat dich dazu gebracht neben Leinwand auch Gummi, Seide und Linoleum als Träger zu benutzen?

Ich habe Bilder immer sehr stark auch als Objekte empfunden, die sich von der Wand abheben und nicht nur einen Bildraum öffnen, sondern in einen direkten Dialog mit dem Raum, in dem sie hängen, eintreten. Dies kann bei Malerei auf Leinwand über die Struktur der Leinwand, den Farbauftrag oder die Texturen, die die Pinsel auf der Leinwand hinterlassen, geschehen. An klassischen Leinwandbildern aber hat mich immer gestört, dass selbst bei sehr bewegtem Bildmotiv der Betrachter sich kaum vor dem Bild hin und her bewegt. Dieser nimmt den scheinbar idealen Standpunkt ein und verweilt dort. Bestenfalls kann man durch kleinere Details eine Vor- und Zurückbewegung stimulieren. Der Blickwinkel ist aber eindeutig. Das verleitet aber auch zu einer eindeutigen Bedeutungsebene. Deshalb lasse ich die Bildoberfläche, den Bildträger selbst, zur Skulptur werden. Damit sind immer gewisse Teile des Bildes so verzerrt, das der Betrachter gezwungen wird, sich vor dem Bild hin und her zu bewegen, um die Gesamtheit des Bildes erfassen zu können. Im Wechsel zwischen Detail und Gesamtüberblick entsteht die Komposition. Dies reflektiert unsere Lebenserfahrung und die Art, wie wir die Welt wahrnehmen, sehr viel besser als die flache Leinwand.

Aequator

Äquator - Mittsommer. 2010, Acryl auf Filz, 180 x 500 cm

Die zweidimensionale Bildillusion ist dir schlichtweg zu einfach? Da steckt doch noch mehr dahinter.

Ich interessiere mich sehr für Malerei an sich. In den letzten Jahrzehnten war man als Maler immer gezwungen entweder narrativ zu arbeiten, damit aber die Malerei der Moderene zu negieren, oder umgekehrt. Dadurch haben sich Maler in zwei Lager gespalten, dazwischen liegt ein mit viel Stacheldraht gesichertes Niemandsland. Gerade dieses lange brach Liegende fasziniert mich. Es birgt unendlich viele Möglichkeiten für einen Künstler, der erstens dumm genug ist, sich mit Malerei zu befassen und sich zweitens weder dem einen noch dem anderen Lager anschließen will. Ich finde nicht, dass die formalen Aspekte einer Komposition sich zwangsläufig einem Narrativ unterordnen müssen. Die beiden können durchaus zusammen in einer Komposition in einen sehr konstruktiven Dialog treten und sich sogar gegenseitig bestärken.

Mit einem Bild etwas erzählen zu wollen, schließt nicht zwangsläufig aus, sich mit Malerei und Farbe als reiner Materie auseinander zu setzten. Text und Komposition schwächen sich in der Musik ja auch nicht. Im Gegenteil, die Melodie kann den Text, das gesungene Wort, in seiner Bedeutung entscheidend verändern. Ebenso kann die Melodie den mit ihr verwobenen Text bereichern. Das Gleiche gilt für die Malerei. Das narrative Elemente ergänzt das pure Material der Malerei um einen weiteren Zugang. Ich finde Malerei darf ruhig emotional sein, emotionale Intelligenz sollte nicht unterschätzt werden.

Aktuelle Arbeiten von Ruprecht von Kaufmann sind in Berlin zu sehen:

Michael Just - Manuela Kasemir - Ruprecht von Kaufmann
EIGEN + ART Lab, Auguststraße 11 - 13, 10117 Berlin
Die Eröffnung ist am Donnerstag, den 11. September 2014, 17 - 21 Uhr.

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