Buchtipp: Berlin WonderlandBilder aus den wilden Jahren, 1990-1996

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Techno, Abrisshäuser, Autowracks und Bungee Jumping am Brandenburger Tor.

Die Geschichte des kreativen Untergrunds im Ostberlin der frühen 90er-Jahre ist und bleibt ein Faszinosum. Für alle, die damals dabei waren, vor allem aber für die nachfolgenden Generationen, die die chaotische und runtergerockte Bruchbude einer sozialistischen Hauptstadt nur aus der blitzeblank geputzten Gegenwart kennen. Es herrschte Aufbruchstimmung. Alles war möglich, vor allem, weil die, die Hausbesetzungen, Club-Gründungen oder provokante Kunst im öffentlichen Raum hätten verhindern können, nur im seltensten Fall zu erreichen waren. Ungeklärte Eigentumsfragen von Grundstücken, alarmierender Leerstand in maroder Infrastruktur, überforderte Wohnungsgesellschaften. Die Brache blühte.

Darüber wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Bücher geschrieben. Oft, aber nicht nur mit der in Berlin-Mitte entstehenden Techno-Kultur im Fokus. Auch Bildbände zu diesem Thema gibt es. Was Anke Fesel und Chris Keller hier aber in einem schwergewichtigen Coffee-Table-Band auf 224 Seiten zusammengetragen haben, bedarf einer besonderen Erwähnung.

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Denn die beiden Herausgeber, die die Zeit damals selbst miterlebt haben, konnten sich in den Archiven von gleich sechs Fotografen bedienen, die diese Jahre des Aufbruchs festgehalten haben: Ben De Biel, Mitgründer von legendären Clubs wie „Ständige Vertretung“, „IM Eimer“ und „Maria am Ostbahnhof“, ist einer von ihnen. Aber auch Rolf Zöllner, dessen Bilder es nicht nur in zahlreichen Büchern zu sehen gibt, sondern auch in der Berliner Tagespresse von damals immer präsent waren. Schönes, weil ungewöhnliches Detail: Das Nachtleben bleibt in „Berlin Wonderland“ praktisch undokumentiert. Aber natürlich lösen die Bilder der entsprechenden Orte Erinnerungen ganz automatisch aus. Die Farbe der hektischen Nacht wird in den Bildband über das knallorangene Layout eingesprengselt.

Dieses Grau in Grau - selbst wenn es sich um Farbfotos handeln würde, wäre es nicht viel bunter - wird ergänzt von kurzen O-Tönen von denen, die damals in den unterschiedlichsten Projekten aktiv waren. Eindrücklich komprimiert auf ganz subjektive Erinnerungen, genauso unverfänglich und doch nachdrücklich wie ein Foto sein kann.

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Das „Obst und Gemüse“ auf der Oranienburger Straße. Foto: Ben de Biel

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Die alte russische MIG hinter dem Tacheles, ebenfalls auf der Oranienburger Straße. Foto: Stefan Schilling

Und noch etwas macht das Buch richtig. Es blickt über die Klischees der damaligen DIY-Kultur hinaus und streift auch den Alltag der Aktivisten und vor allem den der „Eingeborenen“. Denn zwischen Kunst und Anarchie, Bier und Bassdrums ging das Leben weiter bzw.: begann sich drastisch zu wandeln. Noch aber wirkte der aufziehende Kapitalismus beherrschbar. Das sollte sich bald ändern.

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Wonderland Cover

Anke Fesel & Chris Keller (Hrsg.), Berlin Wonderland. Wild Years Revisited 1990-1996, ist bei Bobsairport erschienen und wird vom Gestalten Verlag vertrieben. Preis: 29,90 €
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