Review: Libratone Zipp & Zipp MiniPerlen vor die MP3-Säue

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Die Suche nach dem perfekten Lautsprecher geht weiter.

Wer sich als Hersteller auf dem Markt der drahtlosen Lautsprecher behaupten will, braucht einen langen Atem und dicke Eier. Das Angebot ist so vielschichtig und unübersichtlich, dass es zunehmend schwierig wird, seine Kommunikation laut genug zu drehen, um sich an einem Samstagnachmittag im Saturn auch wirklich Gehör zu verschaffen. Bluetooth oder WiFi, groß oder klein, mit App oder ohne, für mehrere Räume oder nur für die Küche, mit oder ohne Batterie: Wir wollen doch nur Musik hören!

Gute Lautsprecher sind teuer. Das ist eine Erkenntnis, die sich gerade 2015 wieder bestätigt hat. Sicher: Man bekommt auch einen mobilen Bassbin für 24,99 Euro, aber der klingt dann auch wie die Kompaktanlage im Jugendzentrum anno 1988, nachdem Axel seine Cola drübergekippt hatte. Es ist geradezu erstaunlich, wie hochpreisig die Produkte der Marktführer sind. Allen voran Sonos, der scheinbar unantastbare Platzhirsch, der in seinen Lautsprechern zwar wirklich gut und überzeugend klingende Membranen verbaut, die Nutzerinnen und Nutzer aber gleichzeitig auch in ein eigenes Ökosystem zwingt, um die Boxen überhaupt zum Leben zu erwecken. Eine Lösung, die ob des benötigten Stromkabels nur für die Wohnung konzipiert ist: Für eine „moderne“ Stereoanlage muss man ordentlich blechen. Und dann ist da die Generation Bluetooth. Die von Ultimate Ears oder Creative zum Beispiel, mit dicker Autobatterie, noch dickerem Sound und einer Outdoor-Rave-Unkaputtbarkeit. Und dann kommen alle anderen. Sony, Bose, JBL, B&W, B&O, Beats natürlich: alle, wirklich alle bauen Lautsprecher. So viel Musik wollen wir dann vielleicht doch nicht hören.

Und dann ist da auch noch Libratone aus Dänemark.

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Als sich das kleine Start-up vor wenigen Jahren an den Markt wagte, war zumindest die Strategie klar. Ein eigenständiges Design (Wollbezüge, Tragehenkel und eher ungewöhnliche Formen der Lautsprecher), kein Bluetooth, sondern AirPlay und somit ein Fokus auf Apple-Kunden und Audio-Technik, die man in den Party-Speakern sonst vergeblich sucht: Bändchen-Hochtöner für einen vermeintlich seidenen Sound. Was den Klang angeht, ging dieses Konzept auf. Verkauft hat sich der Zipp wohl eher mäßig, was irgendwie keine Überraschung ist. Teure Perlen vor die MP3-Säue zu schmeißen, hat noch selten Sinn gemacht, mit oder ohne wechselbaren Wollbezügen. Libratone gehört jetzt einem chinesischen Investor, der zum Beispiel auch die EarBuds, die jedem iPhone beiliegen, herstellt. Das ist vielleicht noch keine Audio-Tradition, aber immerhin Audio. Und es bedeutet auch, dass Libratone durchstarten kann: mit dem neuen Zipp und einem kleineren Zipp Mini. Die Wechselbezüge sind geblieben, wenn auch standardmäßig nicht mehr aus Wolle. Der Rest ist neu.

Mach' das Radio an

Dass Bluetooth eine Technologie ist, der man sich in Smartphone-Zeiten nicht länger verweigern kann, hat Libratone schon 2014 eingesehen. Damals bekamen die Lautsprecher das benötigte Modul verpasst, Spotify Connect war bereits via Software-Update integriert worden. Was Libratone aber nie konnte, war Multiroom, also das Verkoppeln mehrerer Lautsprecher zu einem System, das in mehreren Räumen entweder den gleichen Track abspielt oder aus einer App heraus mehrere Speaker mit unterschiedlichen Klangquellen bestückt. Das ist der Sonos-USP. Die neuen Zipps bieten AirPlay, Bluetooth, DLNA (komplett tote Technologie) und Multiroom. Libratone nennt das „SoundSpaces“, über die neu gestaltete App für Tablet und Telefon können mehrere Lautsprecher zu Gruppen verbunden werden, die dann gemeinsam – und vor allem synchron – Musik abspielen. Sie jedoch mit verschiedenen Musikquellen zu bestücken, ist nicht vorgesehen. Das ist Fluch und Segen zugleich. Segen, weil Libratone so sicherstellen kann, dass die Musikquellen nicht – wie bei Sonos – in einer App verkapselt sind und so bestimmte Dienste von vornherein ausgeschlossen oder erst dezidiert integriert werden müssen. Fluch, weil ... naja, es geht halt nicht. Es gibt Menschen, die schwören auf dieses Features, dafür braucht es aber auch die entsprechend große Wohnung. Fakt ist: Die beiden Zipps sind eine der wenigen Multiroom-Lösungen zum Mitrumtragen. Beide Lautsprecher haben integrierte Akkus, die zwischen acht und zehn Stunden Wiedergabe ermöglichen.

Das eigentliche Killer-Feature ist aber ein anderes.

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Und damit ist nicht der Reißverschluss gemeint, sondern die Integration des guten alten Radios. Fünf Sender lassen sich in jedem Lautsprecher fest abspeichern. Gerade wer gerne Programme hört, die nicht über lokale UKW-Frequenzen angeboten werden, klatscht hier in die Hände. Denn so muss man morgens in der Küche nicht erst das Smartphone anmachen, die App suchen, den Lautsprecher anknipsen und mit dem Telefon verbinden, um die Morning Show von BBC 6 Music zu hören. Man drückt einfach einen Knopf und sitzt bei Mary Anne Hobbs auf dem Schoß. Manchmal sind es eben die einfachen Dinge, die am meisten begeistern.

Denn sonst gibt es über die neuen Zipps eigentlich gar nicht viel zu berichten. Das Setup ist einfach, die App ok, wenn auch an einigen Stellen aktuell noch verwirrend, der Sound ist solide. Der große Zipp ist, wenig überraschend, der Gewinner der beiden. Er kommt mit 100 Watt Musikleistung, vor allem jedoch einem hörbar ausbalancierteren Klang als der Mini, der mit 60 Watt alles andere als (zu) leise wäre, gerade in den wichtigen Mitten dann aber doch ab und an ein wenig schlapp wirkt. Den so lieb gewonnenen Bändchenhochtöner sucht man in beiden Neulingen vergeblich. Das ist wohl der Mainstream-Herangehensweise der Mitbewerber geschuldet und auch schlicht preiswerter. Was beide Zipps leider nicht sind: 300 bzw. 250 Euro sind kein Pappenstiel, wenngleich immer noch günstiger als der alte Zipp. Klanglich wissen beide Lautsprecher durchaus zu überzeugen. Verbunden mit dem durchdachten Bedienungskonzept, gerade auch an den Geräten selbst, wo auf einer berührungsempfindlichen Oberfläche die Radiosender schnell gewechselt, die Lautstärke mit einem DJ-Backspin angepasst und auch mehrere Lautsprecher miteinander gekoppelt werden, gehören die neuen beiden Zipps zu den interessantesten Lautsprechern 2015. Bleibt zu hoffen, dass das von der Streaming-Ghettoblaster-Kundschaft auch wertgeschätzt wird.

Zipp

  • 100 Watt
  • 1 x 4"-Tieftöner
  • 2 x 1"-Hochtöner
  • 2 x 4"-Bassradiator
  • 1,5 Kilo

  • 299 Euro

Zipp Mini

  • 60 Watt
  • 1 x 3"-Tieftöner
  • 1 x 1"-Hochtöner
  • 2 x 3,5"-Bassradiator
  • 1,1 Kilo

  • 249 Euro

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Leseliste 13. Dezember 2015 – andere Medien, andere ThemenAltbauplatte, Hörbücher, Lesbos und Scott Weiland

Mix der Woche: Jóhann JóhannssonVon Shostakovich bis Holger Czukay