Wochenend-WalkmanDiesmal mit Beyoncé, Mr. Tophat und Lowfish

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit Beyoncé, Mr. Tophat und Lowfish.

beyonce the lion king the gift

Beyoncé – The Lion King: The Gift

Benedikt: Beyoncé tourt derzeit als Star für das Remake von „König der Löwen“ durch die Premierenwelt. Dabei fällt ihrer Sprechrolle als erwachsene Nala gar nicht mal so viel Text zu. Die NYT zählt 35 Gelegenheiten, nicht viel mehr als im Original von 1994, in dem Schauspielerin Moira Kelly der späteren Nala ihre Stimme lieh. Dass Superstar Beyoncé als Lion Qeen trotzdem den Promo-Karren des „Lion King“-Remakes anzieht, ist aus Marketing-Perspektive wahrscheinlich alternativlos. Doch hätte man dem Soundtrack in klassischer Albummanier wirklich ihren Künstlernamen voranstellen müssen? Zunächst mal: Der Soundtrack ist großartig – denn mit der typischen Disney-Leier der alten Klassiker hat er rein gar nichts zu tun. Die fand ich bis auf wenige Ausnahmen übrigens schon als Kind ziemlich nervtötend. Meinen Eltern ersparte ich mit meinem ausbleibenden Disney-Bedarf die Anschaffung eines Videorekorders. Der König der Löwen war jedoch schon damals die musikalisch positive Ausnahme, die Texte von „Circle of Life“ und „Hakuna Matata“ sind bis heute verlustfrei aus der Erinnerung abrufbar. Hans Zimmer produzierte, Elton John komponierte, Tim Rice schrieb die Texte. Prominent besetzt war das Studio auch damals schon – und hinterher gab’s zwei Oskars für das Trio. Darüber hinaus war Der König der Löwen aber auch der erste Kinobesuch, an den ich mich wirklich gut erinnern kann. Ich war vier Jahre alt, habe versucht die Tränen wegzudrücken, als Mufasa starb. Aber zurück zu Lion Queen Bey und den Songs dieser Platte, die zwar inhaltlich die Disney-Tradition weiterführen, dabei aber weniger Kitsch auftragen und sie mit augenzwinkernden oder auch augenöffnenden Versen in Richtung Erwachsenenwelt anreichern. Musikalisch ist das facettenreiche Popmusik, eingebettet ins afrikanische Filmsetting. Das spiegelt auch die unglaublich lange Liste der beitragenden Künstler wieder. Neben bekannten Namen wie Childlish Gambino, Jay Z na klar, DJ Khaled oder Kendrick Lamar sind da nämlich viele viele andere. Der nigerianische Afro-Pop-Sänge Burna Boy, Rapper SAINt JHN, Shatta Wale aus Ghana, Tiwa Savage ... Wie gesagt: Die Liste ist lang. Und sie sind nicht bloß Gäste mit Auftritten, sie sind den großen Namen ebenbürtig, was wirklich toll ist. Und genau deshalb hätte man vielleicht einfach vom offiziellen Soundtrack sprechen sollen, anstatt Beyoncé als „Kuratorin“ voranzustellen und zum augenscheinlichen Star dieser Platte zu machen, die so viel mehr kann und bietet. Den Hörgenuss stört das natürlich nicht.

Mr Tophat Dusk To Dawn Album Cover

Mr. Tophat – Dusk To Dawn I - III

Ji-Hun: Techno und House haben gerade so etwas wie eine kleine Medienkrise. Die klassischen EPs auf Vinyl sind heute weder als DJ- noch als Fan-Medium noch irgendwie relevant und Alben waren auch selten gut und einfach zu bespielen mit dieser noch immer eigentlich funktionalen Musik. Der Schwede Rudolf Nordström aka Mr. Tophat ist vielen bekannt durch die Zusammenarbeit mit Art Alfie. Gemeinsam betreiben sie das Label Karlovak und haben als Duo etliche Tracks produziert. Nun hat im Laufe der vergangenen Monate Mr. Tophat ein Dreifach-Album mit dem Titel „Dusk To Dawn“ herausgebracht. Dreieinhalb Stunden sind das insgesamt und man muss sich durchaus fragen, was das alles soll und ob das überhaupt Sinn macht. Aber ja, was funktioniert überhaupt noch in diesem Kontext? Ist so ein hingerotztes Mammutwerk nicht sogar ein kluger und nicht zu unterschätzender Ansatz? Mr. Tophat arbeitet in dieser Trilogie mit vielen bekannten Schwed_innen zusammen. Robyn dürften alle kennen, Axel Boman vielleicht auch, weitere Features kommen von Lune, Noomi und Kleerup. „Dusk To Dawn“ ist kein durchweg detailliertes Stück geworden. Es ist eher ein: Schaut mal, wenn man will, kann man sehr viel Musik machen und Techno von allen Clubdiktaten befreien. Schnarrende E-Gitarren, Balearisches, die Synthies rattern vor sich hin – es darf auch mal ein bisschen gaga, krautig und nicht kontextualisierbar sein. Querflöte? Aber sicher doch. Alleine deshalb ist diese Arbeit einen erweiterten Blick wert und ein bisschen Frischluft und Durchzug hat die Musik ohnehin mal verdient. Dafür muss man keinen revolutionären Sound schaffen, das geht auch, indem man wie in diesem Falle einfach mal macht – und davon nicht zu wenig.

Lowfish Teste Cover

Lowfish – Test(e)

Thaddeus: Lowfish, aka Gregory De Rocher, ist einer meiner alten Helden. Zusammen mit Jason Amm startete er in den 1990er-Jahren das Label „Suction Records“, und diese Releases begleiteten mich jahrelang. Die Musik fand an genau der Schnittstelle statt, die ich damals endlos feierte. Ein bisschen Synthpop, ein bisschen Distortion: Es waren halt IDM-Zeiten, und diese Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart macht mich auch heute noch glücklich. So kommt mir gerade recht, dass das erste Album von Lowfish nun neu veröffentlicht wird. Die elf Tracks gab es ursprünglich nur auf Kassette, Lowfish nannte sich damals noch Pest(e), und – so ist zu lesen die Musik hätte eigentlich auf Skam erscheinen sollen. Aber dazu kam es nie. Nicht schlimm. Wer weiß, wie es dann mit dem gemeinsamen Label weitergegangen wäre. Dass die Musik nun einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemach wird, ist umso besser. Denn es sind nicht nur gute Stücke, sondern ist auch eine Erinnerung daran, was Electronica wirklich ist – ein mittlerweile feststehender musikalischer Begriff, der an ganz bestimmte Sounds, deren Ästhetik und bestimmte Produktionstechniken geknüpft ist. Und nicht etwa die drittklassigen „Chill out“-Projekte viertklassiger Deephouser einordnet. Electro, ick hör’ dir trapsen. Wenn das irgendwann mal in den Redaktionsstuben der Promo-Agenturen, Streaming-Diensten und Ibiza-Clubs angekommen ist, schicke ich Lowfish eine Flasche Schampus. Bis dahin höre ich weiter seine alten neuen Stücke.

Mondlandung in EchtzeitInteraktive Rekonstruktion von Apollo 11

Leseliste 21. Juli 2019 – andere Medien, andere ThemenGefährliches 5G, Frankreichs Cuisine-Krise, weiblicher Klimaprotest und DJs & Streaming