Die Kurve kriegenMit dem Mini über die Alpen und zurück

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Kultkarre oder Turbokarton? Ein Besuch beim Mini Festival in Le Castellet

Das erste Mal Mini für mich war vor über zehn Jahren. Ein alter Classic, hinten auf der Rücksitzbank eingequetscht, mit dem Kopf stetig ein kleines blechernes Echo rhythmisch an die Decke reagierend auf die Berliner Straßenunebenheiten klopfend. Dass der rallyegrüne Cooper dem Bassisten der Ärzte Rod Gonzales gehörte, soll hier nur als Fußnote laufen. Aber zu sehen, wie sich jemand mit voller Überzeugung und solch einer Körpergröße und Physis in so einen Schuhkarton zwängt, musste mehr Gründe haben als nur einen fahrbaren, pragmatischen Untersatz zu führen. Rods alte Mod-Ehre erlaubte nichts anderes. Wahrscheinlich hätte er sich auch ein luxuriöseres und komfortableres Vehikel aussuchen können. Es war aber ein kompromissloses Geständnis an eine durch Subkultur angetriebene Lebensphilosophie. Der gute alte Mini war für ihn so etwas wie eine seitenspiegelbehangene Lambretta auf vier Rädern.

In der Geschichte hatte wohl kaum ein Auto so viele verschiedene Bauherren, wie die tiefliegende von Alec Issigonis entworfene Rennkiste. Austin, Morris, BMC, Leyland, Rover und seit 2001 in der Neuauflage eben unter der Führung von BMW. Seitdem versucht die Marke ihren Kultstatus fortzuführen. Bayrisches Ingenieurstum und britisches Portobello Road-Gefühl zusammenzubringen. Dass dabei das Auto auch ein Liebling wohlhabender Haus- und Ehefrauen in Chelsea wurde (die Gatten fahren standesgemäß Range Rover) und der spritzige, nostalgische Verve von damals einer gewissen technologisierten Spießigkeit gewichen ist, ist eines der tradierten Klischees. Ähnlich wie beim New Beetle wurden frühere Proportionen und Schnitte auf zeitgemäße (und sicherere) Karosserieformen gemünzt, was aber eher einer ungewollten Adipositas als schlanken Twiggy-Beinchen entsprach. Man hat sich im Laufe der Jahre an den Mini im Stadtbild gewöhnt. Gerne als mit Folien beklebter Promoflitzer, neuerdings aber auch immer wieder als Carsharing-Auto.

Wie ein Balinerista

Nur die Sache mit dem Lifestyle-Auto leuchtete nie so recht ein. Es erschien immer wie ein kalkuliertes Surplus, das nicht so recht ins Bild passen wollte. Weil wenn eine automobile Jugend wegbricht, das Auto als Fetischobjekt bei den 20-30-Jährigen innerhalb der letzten zehn Jahre noch mehr an Bedeutung verloren hat wie ein Pager oder Fax...

Es gibt ihn wohl aber, den Mini-Lifestyle. Alle zwei Jahre wird er seit 2005 auf dem Mini United Festival zelebriert. 2012 fand es in Le Castellet in der Nähe von Marseille statt. Wir fahren mit einem John Cooper Works Clubman, einer aufgedrehten Version des Cooper S von Bayern über Mailand gen Provence. Drangsalieren die Serpentinen, passieren die Alpen und diese wundervoll darin drapierten Straßen, riechen den Grand Tourismo und werden feststellen, dass man gar nicht bis zu den Festival-Headlinern Iggy Pop und Gossip kommen muss, um jenem Lebensgefühl auf die Spur zu kommen. Er findet bereits in der Fahrkabine statt. Der Sport-Mini mit 211 PS ist vielleicht gerade in seiner (aus praktikabler Sicht) Unperfektheit ein perfektes Auto. Ein Sieg über die Vernunft, eine Reminiszenz an den Asphalt und den Transit. Wie ein Kaugummi haftet er in den Kurven und man fühlt sich wie die Balineristas. Jene wagemutigen kolumbianischen Autoreparateure, die mit ihren Carros de Balineros, skateboardartigen, motorlosen Langbrettern mit Pappkarosserie, tollkühn die Hänge der La Linea ohne Bremsen und Gurte runterheizen und die wuchtigen LKWs wie Slalomstangen umkurven.

Es ist keine Neuigkeit, dass sich der Mini mit seiner viel gepriesenen Go-Kart-Haftigkeit besonders im kurvigen Ambiente wohlfühlt. Aber diese subtile, neckische Überlegenheit, die man gerade in der Turbo-injizierten Variante verspürt, wenn man nicht nur RS6-Piloten sondern auch Motorradfahrern auf Bergstraßen die Rücklichter zeigen kann, scheint gerade in so einem dezenten Kugelblitz doppelt amüsant. Mit einem Koenigsegg schnell gerade aus fahren kann jeder. Vielleicht ist es genau das: das britische, bissige Understatement.

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Regel Nummer 1: Im Tunnel immer Fenster runterkurbeln. Auch im Mini John Cooper Works.

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Joost Gijzel mit der coolsten DJ-Booth seit Moodymanns Kanzeldusche

Von Macken und Mini-DJs

Auf dem Circuit Paul Ricard geht es nach der Ankunft gemächlich zu. Das Festival mit der großen Bühne scheint mit konventionellen Open-Air-Spektakeln wenig zu tun zu haben. Die Leute sind am Freitagabend noch nicht im erwartungsgemäßen Delirium. Keine gröhlenden Gruppen, eher gesetztes Beieinander. Familien und Fanclubs gesellen sich zu jungen Musikfreunden aus dem Umland. Das Essen kommt von einem Cateringservice, das in veredelter IKEA-Kantinenanmutung daherkommt. Lachs, Rindergeschmortes und Pasteten, dazu Rosé im geeisten Halbliter-Krug. Es werden von Modedesignern wie Diane von Fürstenberg und Paul Smith umgestaltete Modelle präsentiert. Rallye-Teams zeigen offene Werkstätten. Am nächsten Tag wird es nicht nur um Musik, sondern ab früher Stunde natürlich auch um Rennen, Trophäen und Drift-Eskapaden gehen. Man sucht sich einen Rennparcours ja nicht umsonst als Austragungsort aus, da bleibt keine Zeit für lange Ausnüchterungen.

Joost Gijzel aus Eemnes aus der Nähe von Utrecht steht seit Samstagmorgen in seinem knallroten Classic-Cabrio unter der knallenden Sonne, das er in eine fahrbare DJ-Kanzel umgebaut hat. Cheesige Handtaschenhouse-Beats entspringen seinen CDJs, barfuß fräst er Kuhlen in die Rücksitzbank. Er ist seit dem ersten Mini United dabei und er genießt sichtlich die Aufmerksamkeit, die er mit seinem Gefährt erregt. Das DJ-Mobil, mit dem er tatsächlich auch Partys bespielt, gefiel den Mini-Offiziellen so gut, dass sie aus einem neuen Clubman ebenfalls ein Disco-Gefährt nachbauten. Natürlich viel perfekter, unimprovisierter und sogar mit drehbarer Discokugel. „Meins ist aber das Original“, bekräftigt der 27-jährige mit einem breiten Grinsen.

Für Joost war der Mini Liebe auf dem ersten Blick, er weiß aber auch von der schwierigen Identitätszusammenführung von altem und neuem Mini zu berichten. „Es kursierten Geschichten herum, dass nach der BMW-Übernahme Mini-Händlern auf einmal Lizenzgebühren aufgebrummt wurden, was in der Szene überhaupt nicht gut ankam.“ Aber ist der aktuelle Mini überhaupt noch ein britisches Auto? „Es verbindet beide Autos die sprichwörtliche Freude am Fahren. Aber bis auf die Zubehörteile mit viel Chrom und Union Jacks haben die neueren Modelle wie der Countryman kaum noch was mit der englischen Geschichte zu tun. Das sind eindeutig deutsche Autos. Aber hey, frühere Classics hatten Macken wie Millionäre Münzen. One size fitted nothing und wie wir in Holland schon immer gesagt haben: ein Mini fing schon am Fließband an zu rosten. Diese Zeiten sind vorbei.“

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Schnelles Hobby

Von den Macken weiß auch der lettische Radio-DJ und Sänger Normuns Ruttulis, der den ganzen Weg von Riga an die Cote d‘Azur mit seinem Classic zurückgelegt hat. So ein Festival sei dennoch Urlaub für ihn und seitdem er und seine Familie den Slapstickpannen von Rowan Atkinson aka Mr. Bean („unser aller Lieblingsschauspieler“) erlegen sind, gibt es kein anderes Auto mehr für die Ruttulis. „Erst war der Classic für meine Frau gedacht, aber nachdem sie mich regelmäßig anrief, dass sie stehengeblieben sei und nicht mit der Technik klarkäme, habe ich ihr einfach einen neuen gekauft. Seitdem ist dieses Auto hier mein Hobby und mein Spielzeug.“

Ein Auto-Festival kommt aber auch selten ohne sportliches, modernes Tuning aus. Der Slowene Ambroz Kavs hat laut Medienberichten den schnellsten Mini Osteuropas. Drei Modelle besitzt er mittlerweile und bietet seine Dienste und selbstgebauten Motorteile auch anderen Besitzern an. „Als der heutige Mini 2001 herauskam, wollte ich ihn einfach ausprobieren, seitdem bin ich dem Handling und seiner Sportlichkeit verfallen.“ 300 PS hat sein Mini.

„0-100 in 5 Sekunden, 0-200 in 14 Sekunden, das ist so schnell wie ein BMW M3 oder ein Aston Martin V12 Vantage!“

Die Sonne geht zu den dicken Akkorden von Gossip unter. Wir freuen uns aber schon auf den Rückweg. Auf die Serpentinen, den Drift in den schmalen Gassen. Unser John Cooper Works ist vielleicht nicht die große Liebe fürs Leben, aber wohl diese eine wundervolle Urlaubsliaison von der man immer wieder erzählen wird. Auch um zu berichten, wie geschmeidig man wieder die Kurve gekriegt hat.

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