This Is So Contemporary! Das Filter guckt Kunst# 9: Andreas Wannerstedt im „House of DiMotion“ – ÆVE, Berlin

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Foto: Künstler

3D-Animation ist auch 2022 Thema. Eigentlich keine Überraschung: Warum sollte der feuchte Traum der 1990er-Jahre heuer dank immer besserer Hardware bei Künstler:innen auch weniger attraktiv werden. Im Berliner ÆVE, dem früheren Chalet, stellen noch bis in den November hinein Künstler (ja, ausschließlich Männer), ihre Arbeiten vor und aus. Matti Hummelsiep war vor Ort und begeisterte sich vor allem für „Kloon“ von Andreas Wannerstedt.

Es riecht noch nach Farbe im ehemaligen und frisch renovierten Chalet, einem ehemaligen Zollhaus in Berlin, gelegen an der Grenze zwischen Kreuzberg und Treptow. Im ersten Stock rollen auf einem der großen Monitore zwei kleine Magnetkugelhälften aus unterschiedlichen Richtungen aufeinander zu, um sich zu vereinen: Klack! Die kleine Magnetkugel kommt einem bekannt vor, das haptische Gefühl ist sofort da. Auch das Klackgeräusch ist bekannt. Ein Spiel mit unserer menschlichen Bild- und Geräuschdatenbank im Hirn sozusagen. Es ist ein völlig simples Bewegungsmuster, man versteht es sofort. Und dennoch könnte man es sich zwanzig Mal hintereinander anschauen. Zu eindrucksvoll der einfache Loop der sich immer und immer wieder vereinenden Kugel. Ob das Sinn macht oder sich gar die große Kunstfrage stellt, ist völlig egal. Der Effekt zählt. Erst das äußere Staunen, gefolgt von einer inneren Befriedigung, dass hier etwas sehr gut funktioniert – und so friedlich ist! Wo hat man das heute schon? Etwas, das vorhersehbar ist, kontrollierbar, gar vollkommen.

3D-Kunst lebt vorrangig von der Momentaufnahme, so auch bei Wannerstedt. Deswegen begeistert sie auch so schnell, regt die Fantasie an, die Lust, ohne politisch zu werden.

Wannerstedts Arbeit ist Teil der Gruppenausstellung „House of DiMotion“ im ehemaligen Club Chalet. Über 20 international renommierte Künstlern präsentieren eine Auswahl ihrer besten Arbeiten auf großen Bildschirmen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. An den Wochenenden ist die Ausstellung bis 6:00 Uhr morgens geöffnet – mit Bar und Musik versteht sich.

Andreas Wannerstedt Portrait

Foto: Künstler

Zum Künstler

Andreas Wannerstedt wurde 1981 in Trollhättan (Schweden) geboren und lebt in Stockholm. In seinen Animationen greift er immer wieder einfachste Körper wie Kugeln, Stäbe und Quader auf, um daraus ästhetisch anmutende 3D-Animationen zu basteln. Obwohl seine geloopten Animationen vage auf Bewegungsmuster der realen Welt basieren, sprengen sie oft die Grenzen von Toleranzen, Reibung und Schwerkraft. Seine geometrische Bildsprache wirkt oft entspannend und bisweilen fast schon hypnotisierend. Wannerstedt ist in der Szene ein weltweit bekannter 3D-Künstler und hat in den letzten 14 Jahren mit Firmen wie Google, Ikea, Spotify, Omega, Red Bull u.v.m. zusammengearbeitet.

Zur Ausstellung

ÆVE Berlin, Vor dem Schlesischen Tor 3, 10997 Berlin
Die Ausstellung „House of DiMotion“ läuft noch bis zum 3. November 2022.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 16-22 Uhr; ab Donnerstag längere Öffnungszeiten
Eintritt zw. 8 und 12 € je nach Uhrzeit; Reservierung eines Zeitfensters vorab empfehlenswert
House Of Dimotion

Vernissagen, Pop-Up-Galerien, Art Weeks hier, Art Happenings da. Berlin hat ein Übermaß an Kunst-Events und Ausstellungen. Oft hat man bestenfalls die Ankündigung gelesen, dann hängen schon die neuen Plakate. Im Dickicht an Terminen geht’s in unserer neuen Rubrik in jeder Folge nur um eine Ausstellung – genauer gesagt um ein ausgewähltes Kunstwerk: Welche aktuelle Brisanz steckt in der Installation? Was ist die Essenz dahinter? Bei „This Is So Contemporary!“ wird gespoilt und geteast, allerdings ohne fachliche Hemmschwellen, Status und elitäre Kunstdiskurse. Dafür in aller Kürze und direkt.

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