The Complete DeathsBest-Of: Alle Bühnentode von Shakespeare in einem Theaterstück

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Hochkultur runtergekocht, auf die besten Splatter-Momente.

Die Einen ereifern sich begeistert darüber, dass Star Wars – die Zukunft – endlich in der Jetztzeit angekommen ist. Hier dürfen nun auch weibliche Heldinnen das Schwert am richtigen Ende anfassen. Andere hingegen erwärmen sich mächtig den Kopf darüber, ob und was William Shakespeare Zeitgemäßes zu bieten hat. Das Ergebnis ist ganz erstaunlich: Und wie! Das nicht enden wollende Blutbad! 400 Jahre nach dem eigenen Ableben des Verseschüttlers wird Shakespeare mit „The Complete Deaths“ auf den schaurig-trockenen Punkt zurückgeschraubt, 74 Tode sind zu bestaunen. Während das elisabethanische Publikum zu Lebzeiten des Meisters noch sowohl den Poeten als auch den Nervenrüttler feierte, ist diese Show nun endlich von mühsam sprachlicher Pein befreit.

Tim Crouch, verantwortlich für dieses Massaker, ist als Schreiber, Schauspieler und Direktor seit 2003 in Brighton mit eigenen Produktionen zu bewundern. Seine nicht so wirklich radikale Idee begründet er mit einer einfachen Beobachtung. Bevorzugt der junge Shakespeare noch den klassischen „Ich bin getroffen ich sterbe“-Abgang, so entfleucht des Poeten Feder über die späteren Jahre eine äusserst delikate Liste viel morbiderer Todesvarianten. Ob als Fleischküchlein verbacken oder dem Selbstmord durch heiße Kohlen erlegen, hier in Crouchs „Best Of“ kann mit schön ansteigendem Thrill die Schauderleiter erklommen werden. „Spaß soll es machen, lustig sein“ so Crouch. O-key?!? Na dann, hau rein.

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Foto: Spymonkey

Spaß hat der der konservativen Seite zuzurechnenden Kritiker Frances Wilson dabei wohl eher nicht. „The Telegraph“ druckt dessen vollmundige Maulerei über den Werte- und Sinnverfall unter dem Stichwort Häppchen-Kultur – „bite-sized chunks“. Wilson kritisiert hier nicht nur die Shakespear’sche Zusammenstauchung, sondern auch die aktuelle BBC-Produktion „The Dickensian“, in der alle von Charles Dickens ersonnenen Figuren auf einer Straße versammelt krauchen. Er nennt das Ganze den Frankenstein-Effekt, in dem Werke von immenser Größe zu einem maushirnverständlichen Medley verkommen und endet mit der bemerkenswerten Erkenntnis, dass das immer weiter um sich greifende Phänomen des Aufmerksamkeitsdefizits nun auch die englische Nation erfasst habe. Das ist weder neu noch eine britische Erscheinung.

Shakespeare - Schautafel

Tortendiagramm des Todes. Quelle: Improbable Research

Da bringt die nähere Betrachtung der Schautafel des theatralen Ablebens bei Shakespeare schon mehr Freude. Drei der Sektoren sind nicht näher bezeichnet. Handelt es sich hier etwa um etwaige Deutungslücken? Kann man, frei interpretiert natürlich, Leute zu Tode kommen lassen, indem man sie schwarz, orange und grün anmalt, oder sie gar in in dahinsiechender Neugier unaufgeklärt langsam um die Ecke bringen? Die Geschichte Shakespeares ist noch längst nicht final erforscht.

Tim Crouch, The Complete Deaths, ist eine Koproduktion mit der Theatergruppe Spymonkey und ist ab Mai 2016 in England zu sehen.

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