Bootlegs aus dem KinokellerFilmkritik: In „King of Peking“ werden Vater und Sohn zu Raubkopierern

King of Peking

Fotos: Peking Pictures / Seesaw Entertainment

Der neue Film des Regisseurs Sam Voutas widmet sich einem noch immer hoch aktuellen Thema: Raubkopien in China. Die beiden Wongs – Vater und Sohn – sind aber derart filmbegeistert, dass man ihnen das gar nicht übel nehmen kann, im Gegenteil. Ein Stück über die Liebe zur Kunst im prekären Umständen. Beim 32. unabhängigen FilmFest Osnabrück feierte der Film kürzlich Deutschlandpremiere. Hendrik Kettler hat ihn sich angeschaut.

Ein Australier macht einen Film über das China der Achtziger und Neunziger Jahre – passt das zusammen? In Fall von Sam Voutas tut es das absolut, schließlich verbrachte der Filmemacher einen großen Teil seiner Jugend in und um Peking, da seine Eltern dort arbeiteten. Die persönlichen Erfahrungen aus dieser Zeit prägen das Werk des Regisseurs, der sich auch als Schauspieler betätigt, bis heute. China lässt Sam Voutas nicht los, und so entstehen dort auch die meisten seiner Filme.

In King of Peking, zu dem Voutas auch das Buch schrieb, wird dem China einer nicht allzu lange vergangenen Zeit neues Leben eingehaucht. Die liebenswerte Geschichte dreht sich um den alten und den jungen Wong, die sich in Anlehnung an die populäre US-Actionreihe Lethal Weapon auch Murtaugh und Riggs nennen. Sie ziehen mit einem betagten Filmprojektor über Land und präsentieren den Dorfbewohnern ebenfalls nicht mehr ganz taufrische Hollywood-Produktionen.

King of Peking 2

Dieser Beschäftigung gehen die beiden mit großer Begeisterung nach, bis eines Abends ihr Projektor ein Raub der Flammen wird. Um den Lebensunterhalt zu bewältigen, nimmt der alte Wong schließlich notgedrungen einen Job als Hausmeister in einem etwas heruntergekommenen Kino in der Hauptstadt Peking an. Da der sesshafte Beruf aber nicht genug Geld abwirft, sieht sich der Vater bald gezwungen, die Haushaltskasse anderweitig aufzubessern; schließlich droht seine Ex-Frau damit, ihm den Sohn wegzunehmen, wenn er die Unterhaltszahlungen nicht mehr leisten kann. So wird ein DVD-Recorder, den der alte Wong zufällig in einem Second-Hand-Shop findet, zur Grundlage eines neuen Geschäftsmodells: Vater und Sohn filmen von nun an während der Vorstellungen Kinofilme ab und vervielfältigen sie anschließend auf der eigenen, improvisierten Kopierstraße im Keller des Kinos. Sie taufen das neue Business „King of Peking“ und beliefern bald ihr ganzes Viertel mit Raubkopien, die leicht am charakteristischen, selbst produzierten Intro erkennbar sind. Ihre nicht ganz legalen Produkte erweisen sich als echter Renner, bis es neue Probleme zu meistern gilt und die Beziehung der beiden auf eine ernste Probe gestellt wird.

Bittersüße Liebeserklärung ans Kino

Sam Voutas' Film ist eine bittersüße Liebeserklärung an das Kino und gespickt mit Reminiszenzen an die „gute alte Zeit“, als Filme noch auf Zelluloid waren und die digitale Projektion noch in weiter Ferne lag. Wenn Wong seinem Sohn alte Filmscores vorspielt, kann der Zuschauer selbst mitraten, aus welchem Streifen die Musik stammt. Der alte Wong ist ein echter Filmkenner und redet von John Ford, Akira Kurosawa und den großen Werken des Kinos; diese bringt er nicht nur seinem Sohn, sondern auch den Bewohnern seines Viertels näher. Schließlich beginnt er sogar, sie in Heimarbeit mit Hilfe seines Juniors zu synchronisieren. Es entbehrt nicht einer gewisse Ironie, dass er die Filme mittels der kopierten Silberlinge in die Wohnzimmer der Menschen bringt – die daher auch nicht mehr ins Kino gehen müssen. Letztlich trägt der alte Wong so selbst dazu bei, dass sein geliebter Job als umherziehender Filmvorführer obsolet wird. Schließlich lässt sich die Zeit aber nicht zurück drehen. Eine Tatsache, der sich die Protagonisten vor allem in der zweiten Hälfte des Films bewusst werden.

Neben der Geschichte um die Liebe zu Film und Kino zeichnet King of Peking ein liebevolles Porträt des kleinen Mannes, der sich trotz großer Widrigkeiten irgendwie durchschlägt und versucht, mit den gerade verfügbaren Mitteln kreativ seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Man glaubt sofort, dass Voutas hier eigene Erinnerungen an Filmvorführungen aus dem ländlichen China eingebaut hat, so lebensecht erscheinen seine Protagonisten. Sogar für einige kleine Seitenhiebe auf die staatliche Kontrolle reicht es noch; sicher nicht ganz selbstverständlich für einen Film, der auch in China seinen Weg in die Kinos finden soll.

King of Peking wurde in Osnabrück mit minutenlangem Applaus aufgenommen; er lief unter anderem auch mit großem Erfolg auf dem Tribeca Film Festival und dem internationalen Filmfestival in Warschau. Hoffen wir, dass die Macher einen Weg finden, den Film einem größeren Publikum vorzustellen.

Übrigens: Voutas´ vorangegangene Regiearbeit Red Light Revolution, auch bekannt als „Chinas erste Sex-Shop-Komödie“, war so erfolgreich, dass sie sehr schnell den Weg in die Auslagen der Bootleg-Anbieter fand. Das beschreibt Voutas im Promovideo der Kickstarter-Kampagne, die King of Peking teilweise finanzierte: Bereits am Tag nach der Kino-Veröffentlichung von Red Light Revolution konnte das Werk in den lokalen DVD-Shops in Peking erworben werden. Samt Hinweis, dass Rachael Weisz eine Hauptrolle spiele. Fake credits, die in diesem Fall auch auf allerlei anderen Produkten wie T-Shirts und Regenschirmen landeten. Das motivierte Voutas und sein Team, die in China nach wie vor aktuelle Bootleg-Thematik filmisch aufzugreifen.

King of Peking
China 2017
Regie/Drehbuch: Sam Voutas
Darsteller: Jun Zhao, Wang Naixun, Lei Lin
Laufzeit: 88 Minuten

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